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Trügerischer Friede

Trügerischer Friede

Titel: Trügerischer Friede
Autoren: Markus Heitz
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aufschwingen könnte. Das will ich nicht.«
    Die Adligen hoben die Köpfe, setzten sich an die Tafel und warteten, was es noch zu besprechen gab, nachdem das höchste Amt des Landes unerwartet und auf spektakuläre Weise besetzt worden war. Fjanski bat Raspot an das Ende des Tisches, um den ihm gebührenden Platz einzunehmen, und setzte sich zu seiner Linken. Alsbald begann ein Austausch der unterschiedlichen Vorstellungen, wie am besten vorzugehen sei, um Borasgotan neu zu ordnen. Die Stunden verstrichen. Lange nach Mitternacht hob Raspot die Versammlung auf, um allen ein wenig Schlaf zu gönnen, denn am folgenden Tag sollten die Gespräche fortgeführt werden. Schließlich blieben er und Hara    »Nun, hoheitlicher Kabcar, wie fühlt Ihr Euch?« Fjanski goss sich vom Wein ein, roch daran und nahm einen Schluck. »Hättet Ihr Euch in Euren Träumen vorstellen können, einmal der mächtigste Mann Borasgotans zu werden?«
    »Bin ich denn der mächtigste Mann Borasgotans?«, erwiderte Raspot und schaute dem Hara<: erkundend in die Augen. »Ich bin mit den Legenden über Lodrik Bardric und seinen Ratgeber Nesreca aufgewachsen. Viele sehen ihn als das eigentliche Übel und in ihm den Verantwortlichen für das Unheil und die tausenden von Toten, deren Blut der Kontinent getrunken hat und an dem das Land beinahe erstickt wäre.« Er bemerkte, dass Fjanskis Gesichtsausdruck sich wandelte; er sah ertappt aus. »Ihr seid es, der Magie beherrscht, nicht wahr, Harnet ? Ihr habt Klepmoff umgebracht«, raunte er. »Weshalb diese Maskerade? Soll ich Euer Lodrik Bardric werden?«
    Fjanskis Lippen wurden schmal, dann wanderten seine Mundwinkel in die Höhe. »Ihr seid auf alle Fälle klüger als Bardric. Oder jedenfalls nicht ganz so arglos.«
    »Ihr selbst hattet mich vor der Schlangengrube gewarnt. Sagt mir den wahren Grund, weshalb ich Euer Platzhalter sein soll, oder ich trete noch in dieser Nacht von meinem Amt zurück.« Raspot scherzte nicht; er wirkte entschlossen, seine Drohung wahr zu machen. »Sollte ich davor Angst haben?«
    »Die Wahlen müssten von vorn beginnen, und wer weiß,
    wer daraus als Sieger hervorginge?«
    Fjanski grinste. »Gut, ich weihe Euch ein. Bschoi und ich haben uns lange besprochen, wie es mit Borasgotan weitergehen soll. Leider verstarb er unerwartet früh, aber er erwähnte in seinen Briefen stets Euch und Euren Mut. Als ich Euch auf der Brücke sah und Zeuge wurde, welche Beherztheit Ihr an den Tag legtet, entschied ich mich endgültig für Euch«, erklärte er. »Der Grund ist: Es geht um Eure und meine Heimat, hoheitlicher Kabcar. Ihr seid ein blütenweißes Blatt, sowohl beim Volk als auch bei den anderen Königreichen, ich sagte es bereits. Und ich meinte es ernst.« Er warf einen abwesenden Blick zu der schlafenden Vasruca, die murmelnd den Kopf zur Seite drehte und eine gemütlichere Position suchte. »Sie ist ein gutes Beispiel. Schaut sie Euch an: besoffen, zügellos, ohne Anstand und wahrlich kein Vorbild. Kaum einer der Adligen bekleckerte sich in den letzten Jahren mit Ruhm oder steht beim Volk gut da. Die meisten sind nur auf ihre eigenen Vorteile bedacht. Ihr, Raspot, bietet dem Land die Möglichkeit, einen Kabcar zu inthronisieren, der von den Brojaken, Vasrucs und Haratfs ebenso angenommen wird wie von den einfachen Borasgotanern. Ihr beherrscht in den Augen der anderen die Magie, das macht Euch zu einem Auserwählten Ulldraels. Und wer könnte besser dazu geschaffen sein, das Land zu einen und endlich die ersehnte Ordnung zu schaffen?«
    Raspot bekam eine Ahnung von dem, was der Hara    Streitereien, und das Leiden ginge weiter«, vollendete er die
    fürchterliche Vision. Er atmete tief ein, leerte seinen Wein auf einen Zug und warf das Glas hinter sich. Splitternd
    zerschellte es auf dem Marmor. »So bleibe ich Raspot der Erste, aber ich warne Euch, Haraif Fjanski. Ich habe, anders als Lodrik Bardric, einen eigenen Willen, eine eigene Meinung und eine eigene Vorstellung. Ihr wolltet eine Marionette oder eine Schlange, die nach Eurer Melodie tanzt? Nun, das werde ich gewiss nicht tun. Auch mir geht es um meine Heimat, erst danach mögen meine eigenen Interessen und die der Adligen folgen.« Der Kabcar stand auf. »Zu einem Herrscher gehört eine Herrscherin. Ich gedenke, bald zu
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