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Trinken Sie Essig, meine Herren: Werksausgabe Band 1, Prosa (German Edition)

Trinken Sie Essig, meine Herren: Werksausgabe Band 1, Prosa (German Edition)

Titel: Trinken Sie Essig, meine Herren: Werksausgabe Band 1, Prosa (German Edition)
Autoren: Daniil Charms
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über den Kopf gezogen. Er tat das so blitzartig, dass am anderen Ende der Bettdecke seine nackten Füße rausguckten. Sofort setzte sich eine Fliege auf den dicken Zeh des linken Fußes. Iwan Jakowlewitsch bewegte diesen Zeh, und die Fliege flog hinüber auf seine Ferse. Da klemmte sich Iwan Jakowlewitsch die Bettdecke zwischen beide Füße, mit dem einen Fuß hielt er sie von unten fest, den anderen streckte er raus und drückte damit von oben auf die Bettdecke, und auf diese Weise zog er sich die Bettdecke vom Kopf herunter. »Pustekuchen«, sagte Iwan Jakowlewitsch und blies die Backen auf. Wenn Iwan Jakowlewitsch etwas gelang oder im Gegenteil danebenging, sagte er gewöhnlich »Pustekuchen«; selbstverständlich nicht laut und überhaupt nicht in der Absicht, dass es jemand hören sollte, sondern bloß so, zu sich selbst. Und nun, nachdem Iwan Jakowlewitsch »Pustekuchen« gesagt hatte, setzte er sich aufs Bett und streckte die Hand nach dem Stuhl aus, auf dem Hose, Hemd und Unterwäsche lagen. Iwan Jakowlewitsch trug wahnsinnig gern gestreifte Hosen. Aber gerade gestreifte Hosen waren wirklich nirgendwo aufzutreiben. Iwan Jakowlewitsch war im Bekleidungshaus Leningrad gewesen, im zentralen Kaufhaus, in derPassage und im Gostiny Dwor, und auch auf der Petrograder Seite hatte er sämtliche Geschäfte abgeklappert, er war sogar zu irgend so einem Laden draußen in Ochta gefahren, aber nirgendwo hatte er eine gestreifte Hose auftreiben können. Dabei war Iwan Jakowlewitschs alte Hose schon derart abgetragen, dass er sie unmöglich länger anziehen konnte. Iwan Jakowlewitsch hatte sie mehrmals geflickt, aber schließlich half auch das nicht mehr. Iwan Jakowlewitsch graste noch einmal sämtliche Geschäfte ab, und nachdem er wieder keine gestreifte Hose gefunden hatte, entschloss er sich, eine karierte zu kaufen. Aber auch karierte Hosen gab es nirgendwo. Da entschloss sich Iwan Jakowlewitsch, eine graue zu kaufen, aber auch eine graue konnte er nirgendwo finden. Auch eine schwarze Hose in Iwan Jakowlewitschs Länge fand sich nirgendwo. Da zog Iwan Jakowlewitsch los, um eine dunkelblaue Hose zu kaufen, aber während er nach einer schwarzen gesucht hatte, waren sowohl die dunkelblauen als auch die braunen überall verschwunden. Daher musste Iwan Jakowlewitsch schließlich eine gelb gesprenkelte grüne Hose kaufen. Im Geschäft hatte Iwan Jakowlewitsch den Eindruck gehabt, die Farbe der Hose sei nicht allzu schrill und die gelben Sprenkel würden überhaupt nicht unangenehm ins Auge stechen. Doch zu Hause angekommen, entdeckte Iwan Jakowlewitsch, dass ein Hosenbein tatsächlich einen irgendwie edlen Farbton hatte, das andere dafür aber ausgesprochen türkisfarben war und die gelben Sprenkel darauf nur so loderten. Iwan Jakowlewitsch versuchte es damit, dass er die Hose auf links zog, aber so besehen hatten beide Hosenbeine eine Tendenz zu Gelb mit grünen Pünktchen und sahen dermaßen lustig aus, dass die Zuschauer, stiege man nach einer Filmvorführung in einer solchen Hose auf die Bühne, sich eine halbe Stunde lang ausschütten würden vor Lachen. Zwei Tage konnte sich Iwan Jakowlewitsch nicht dazu durchringen, die neue Hose anzuziehen, aber als die alte so zerrissen war, dass man von Weitem Iwan Jakowlewitschs Unterhose sehen konnte, die ebenfalls gestopft werden musste, blieb ihm nichts anderes übrig, als die neue Hose anzuziehen. Das erste Mal in der neuen Hose ging Iwan Jakowlewitsch sehr vorsichtig nach draußen. Bevor er das Haus verließ, schaute er zunächst in beide Richtungen, und erst, als er sich davon überzeugt hatte, dass niemand in der Nähe war, trat er auf die Straße und machte sich eilig auf den Weg zu seiner Behörde. Der Erste, der ihm begegnete, war ein Apfelverkäufer mit einem großen Korb auf dem Kopf. Der sagte nichts beim Anblick von Iwan Jakowlewitsch, und erst, als Iwan Jakowlewitsch vorbeigegangen war, blieb er stehen, und da der Korb ihn daran hinderte, den Kopf zu drehen, wandte sich der Apfelverkäufer ganz um und sah Iwan Jakowlewitsch hinterher, hätte vielleicht sogar den Kopf gewiegt, wenn nicht wieder dieser Korb gewesen wäre. Iwan Jakowlewitsch schritt munter aus, da er seine Begegnung mit dem Verkäufer für ein gutes Omen hielt. Ihm war das Manöver des Verkäufers entgangen, und er redete sich ein, dass die Hose wohl doch nicht so ins Auge stach. Nun kam Iwan Jakowlewitsch ein Beamter, wie er selbst einer war, entgegen, mit Aktentasche unterm Arm. Der Beamte lief
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