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Trinken Sie Essig, meine Herren: Werksausgabe Band 1, Prosa (German Edition)

Trinken Sie Essig, meine Herren: Werksausgabe Band 1, Prosa (German Edition)

Titel: Trinken Sie Essig, meine Herren: Werksausgabe Band 1, Prosa (German Edition)
Autoren: Daniil Charms
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schnell, guckte nicht unnötig in der Gegend herum, sondern eher vor seine Füße. Auf gleicher Höhe mit Iwan Jakowlewitsch ließ der Beamte seinen Blick über Iwan Jakowlewitschs Hose schweifen und blieb stehen. Iwan Jakowlewitsch blieb ebenfalls stehen. Der Beamte sah Iwan Jakowlewitsch an, und Iwan Jakowlewitsch sah den Beamten an. »Entschuldigung«, sagte der Beamte, »Sie können mir nicht zufällig sagen, wie man zu diesem … na … zu diesem … Staats … äh … zur Börse kommt?«
    »Sie müssen da über die Straße rüber … über die Brücke drüber … nein, Sie müssen so gehen und dann so«, sagte Iwan Jakowlewitsch.
    Der Beamte bedankte sich und ging rasch davon, und Iwan Jakowlewitsch machte ein paar Schritte vorwärts, doch als er sah, dass ihm jetzt nicht ein Beamter, sondern eine Beamtin entgegenkam, senkte er den Kopf und wechselte schnell die Straßenseite. In seinem Büro kam Iwan Jakowlewitsch mit Verspätung und sehr schlecht gelaunt an. Iwan Jakowlewitschs Kollegen fiel die grüne Hose mit den verschiedenfarbigen Hosenbeinen natürlich auf, doch sie errieten offenbar, dass dies der Grund für Iwan Jakowlewitschs schlechte Laune war, und belästigten ihn nicht mit neugierigen Fragen. Iwan Jakowlewitsch quälte sich zwei Wochen lang mit seiner grünen Hose, bis einer seiner Kollegen, Appollon Maximowitsch Schilow, Iwan Jakowlewitsch anbot, seine, Appollon Maximowitschs, gestreifte Hose zu kaufen, die er, Appollon Maximowitsch, wohl nicht unbedingt brauchte.
     
    <1934–1937>
     
    Vier Deutsche aßen Schweinshaxe und tranken grünes Bier. Der Deutsche mit dem Namen Klaus verschluckte sich an einem Stück Schweinshaxe und stand vom Tisch auf. Da fin-gen die drei anderen Deutschen an, auf den Fingern zu pfeifen und machten sich lautstark über den Ärmsten lustig. Doch der Deutsche Klaus schluckte das Stück Schweinshaxe rasch herunter, spülte mit grünem Bier nach und war bereit zu parieren. Die drei anderen Deutschen gingen nun, nachdem sie sich über die Kehle des Deutschen Klaus lustig gemacht hatten, über zu seinen Beinen und brüllten, der Deutsche Klaus habe ja ziemlich krumme Beine. Besonders einer der Deutschen, er hieß Michel, lachte über die krummen Beine des Deutschen Klaus. Da zeigte der Deutsche Klaus mit dem Finger auf den Deutschen Michel und sagte, noch nie im Leben sei er einem begegnet, der die Worte »krumme Beine« so albern aussprechen würde. Der Deutsche Michel sah alle mit fragendem Blick an, und den Deutschen Klaus sah er mit einem Blick an, der äußerste Feindseligkeit ausdrückte. Da trank der Deutsche Klaus ein wenig grünes Bier, wobei ihm folgender Gedanke durch den Kopf ging: »Jetzt gibt es zwischen mir und dem Deutschen Michel Streit.« Die übrigen zwei Deutschen aßen schweigend ihre Schweinshaxe. Der Deutsche Klaus nippte an seinem Bier und sah alle mit einem Blick an, der Folgendes sagte: »Ich weiß, was ihr von mir wollt, aber ich bin für euch eine verschlossene Schatulle.«
    <1933>
     
    Mironow wickelte die Wanduhr in eine Decke und trug sie zu einem Petroleum-Laden. Unterwegs begegnete ihm Golowljow. Als Golowljow Mironow erblickte, versteckte er sich hinter einer Tabakbude. »Was stehen Sie hier herum?«, rückte ihm der Papirossyverkäufer auf die Pelle. Um Mironow loszuwerden, kaufte Golowljow bei dem Papirossyverkäufer ein Mundstück und eine Schachtel Zahnpulver. Mironow sah das alles, womit die Geschichte eigentlich auch schon zu Ende ist.
    20. August
    <1934>

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Mehrchen
    Es war einmal ein Mann, der hieß Semjonow. Eines Tages ging Semjonow spazieren und verlor sein Taschentuch. Semjonow begann sein Taschentuch zu suchen und verlor seine Mütze. Er begann seine Mütze zu suchen und verlor seine Jacke. Er begann seine Jacke zu suchen und verlor seine Stiefel. »Na«, sagte Semjonow, »wenn das so weitergeht, verlier ich noch alles. Ich geh lieber heim.« Semjonow machte sich auf den Heimweg und verlief sich.
    »Nein«, sagte Semjonow, »ich setz mich doch lieber hin und bleib ein bisschen sitzen.«
    Semjonow setzte sich auf einen Stein und schlief ein.
     
    <1933>
     
    Da begannen alle gleichzeitig zu reden, jeder auf seine Art. Chwilischtschewski ging zu einem Baum und kratzte an der Rinde. Unter der Rinde krabbelte eine Ameise hervor und fiel zu Boden. Chwilischtschewski bückte sich, doch die Ameise war nirgends zu sehen.
    Währenddessen lief Fakirow hin und zurück. Fakirows Gesichtsausdruck war streng, geradezu drohend. Fakirow
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