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Trieb

Trieb

Titel: Trieb
Autoren: Martin Krist
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An das, was anschließend noch folgen konnte, wollte Rudolph gar nicht erst denken. Eigentlich bevorzugte er es, die Dinge im Stillen zu klären
. Vielleicht kannst du Radomski noch dazu überreden.
Aber verdammt, wenn er sich selbst gegenüber ehrlich war, dann war die Sache doch längst aus dem Ruder gelaufen.
    Rudolph nahm sich sein Handy und wählte eine Nummer. Carla meldete sich nach einigem Klingeln. »Hallo, Liebling! Sitzt du schon im Flugzeug?«
    »Nein, mein Schatz. Aber ich checke gleich ein.«
    »Dann wünsche ich dir einen guten Flug. Sprechen wir uns heute Abend noch einmal?«
    »Ich werde versuchen, mich zu melden, aber ich habe gleich nach meiner Ankunft einen Termin. Falls ich es nicht schaffe, grüß Laura und Elfi. Gib ihnen einen dicken Kuss vom Papa.«
    »Natürlich, das mache ich.«
    »Ich denke an dich, mein Schatz.«
    »Ich auch an dich. Bis morgen dann.«
    Kurz nachdem er aufgelegt hatte, klopfte es.
Jetzt ist es also so weit.
Irgendetwas störte ihn plötzlich, aber Rudolph kam nicht darauf, was es war. Wahrscheinlich hing ihm die überraschende Begegnung mit Marten noch nach.
Vergiss ihn
,
konzentriere dich auf das
,
weswegen du hier bist.
    Rudolph öffnete die Tür, und ein heißer Schmerz explodierte in seiner Brust. Er taumelte zurück in das Zimmer. Feuer brannte in seinem Bauch, das Handy entglitt seiner Hand, und noch während er zu Boden stürzte, wusste er wieder, was ihn irritiert hatte:
Es war nicht das verabredete Klopfzeichen gewesen.
    Durch den Schmerz hindurch konnte er schemenhaft die Gestalt erkennen, die sich auf den Stuhl neben der Kommode setzte. »Und jetzt mal Klartext«, sagte sie. »Mit wem wolltest du dich hier treffen?«
    Ich will
, dachte Rudolph,
Präsens
. Doch er bekam kein Wort über die Lippen.
    »Wer weiß noch davon?«
    Ein Brand tobte in Rudolphs Lunge. Er musste husten.
    »Hast du tatsächlich geglaubt, die anderen würden das einfach so hinnehmen?«
    Rudolph nahm noch einen zweiten schwarzen Schatten wahr, der in dem Moment schon wieder aus dem Zimmer huschte, dann erlosch sein Blick und mit ihm auch sein Leben.

Bild, Dienstag, 10. Januar
    Verkaufsoffener Sonntag in Berlin
Plus für Einzelhandel und Gastronomie?
    Berlin. Einkaufsbummler aufgepasst: Zwei Wochen nach Weihnachten lädt der Einzelhandel zum verkaufsoffenen Sonntag. Der Gewerkschaftsbund ver.di protestiert.
    Bereits kurz nach Neujahr protestierten ver.di-Mitglieder mit Flugblättern und Plakaten gegen die erneute Sonntagsöffnung. »Die Beschäftigten benötigen ihre freie Zeit und können nicht rund um die Uhr verfügbar sein«, sagte der Landesvorsitzende Kurt Bussmann. »Erst recht nicht nach den vier Adventswochen, in denen Kaufhäuser und Einzelhändler nahezu rund um die Uhr geöffnet hatten.«
    Dagegen führt der Verein zur Förderung des Einzelhandels e.V. die Wirtschaftskrise ins Feld: »Ein verkaufsoffener Sonntag bietet Kaufanreize. Außerdem profitiert die Gastronomie von dem Angebot.«

1
    Im Bahnhof von Tirana kauften Tabori und Florim zwei Fahrscheine und bestiegen den Zug. Anfangs teilten sie sich das Abteil mit mehreren Landsleuten, aber je weiter sich die Bahn von Albanien entfernte, umso häufiger unterhielten sich die Mitreisenden in fremden Sprachen.
    »Was reden die da?«, fragte Tabori.
    »Ey, woher soll ich das wissen?«, antwortete Florim.
    »Wenn wir da sind, wie werden wir die dann verstehen?«
    »Meine Mama kommt aus Russland«, sagte Florim. »Ich kann Russisch.«
    »Und das reicht?«
    »Hast du etwa eine bessere Idee?«
    »Vielleicht«, meinte Tabori. »Opa hat oft davon erzählt, wie er im Krieg in Deutschland gekämpft hat. Manchmal hat er deutsche Wörter oder Phrasen benutzt, wie zum Beispiel: ›Danke. Bitte. Zu Hause. Ich bin alleine.‹ Oder: ›Ich habe solchen Hunger.‹«
    »Das wird bestimmt reichen«, befand Florim selbstbewusst. »Und außerdem … Ey, wir wollen ja nicht reden, sondern arbeiten, oder?«
    »Ja, da hast du recht«, pflichtete ihm Tabori bei.
    »Und wenn es stimmt, was Ryon sagt, dann wird sowieso alles ganz einfach sein.«
    Während der weiteren Fahrt nährten sie ihre Hoffnung auf eine glänzende Zukunft. Mehrmals stiegen sie um, ohne dass sie den falschen Zug erwischten. An der tschechischen Grenze mogelten sie sich an den Kontrollen der Zollbehörden erfolgreich vorbei, und von Prag aus ging die Fahrt ohne Unterbrechungen weiter.
    Das unverständliche Gebrabbel der Reisenden und die triste Winterlandschaft vor den Zugfenstern
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