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Trieb

Trieb

Titel: Trieb
Autoren: Martin Krist
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blauen Augen,
Philips Augen,
und schenkte ihrer Mutter ein zahnloses, glückliches Lächeln. Ein wohliges Prickeln erfasste Hannahs Körper. Sie kam sich vor wie in einen Traum.
    Alles wird wieder gut.
    Sie zog den Reißverschluss ihrer Reisetasche auf. Zwischen den Blusen und Shorts lugte ein Nachthemd hervor. Unschlüssig hielt sie das transparente Seidenhängerchen in den Händen.
    Millie gluckste im Halbschlaf. »Hey, mein Würmchen«, wisperte Hannah, »was sagst du?«
    Die Kleine streckte lächelnd ihr Händchen aus und umschloss Hannahs Finger.
    »Du meinst also …«
    Millie gab ein Bäuerchen von sich.
    »Darf ich das als Zustimmung verstehen?«
    Ihrer Tochter fielen wieder die Augen zu. So wenig ihr Autofahren behagte, sobald sie ruhig in ihrem Bettchen oder in der Babyschale lag, war Millie eine Schlafmütze. Manchmal schlummerte sie bis zum Morgengrauen durch.
    Hannah streichelte ihr die warmen Wangen. Ein leises Schnarchen entrang sich Millies Stupsnäschen. Ihr Babyduft stieg in Hannahs Nase, süß und angenehm.
    Lächelnd zog Hannah ihre Flipflops, Shorts und die Bluse aus.
    ~
    Der Mann trat mit dem kleinen, kläffenden Hund vor die Haustür. Instinktiv duckte David Gross sich hinters Lenkrad. Nicht dass diese Vorsichtsmaßnahme nötig gewesen wäre. Er parkte mit seinem grauen Renault Clio wenige Schritte weiter auf der gegenüberliegenden Straßenseite, in einer Reihe mit anderen, unscheinbaren Familienlimousinen. Außerdem stand er im Schatten der Platanen, gegen deren dichtes Blätterwerk das Laternenlicht kaum etwas auszurichten vermochte.
    Aber eine von Davids Richtlinien war:
Sicher ist sicher.
    Er sank tiefer in den Fahrersitz, so dass er gerade noch mitbekam, wie der Hund übermütig an der Leine zerrte und sein Herrchen schimpfend ins Stolpern geriet.
    David ließ einige Zeit verstreichen. Schon seit drei Tagen observierte er das Haus. Da machten vier oder fünf weitere Minuten auch nichts mehr aus.
    Übe dich in Geduld.
Noch eine seiner Richtlinien.
    Die dennoch nicht verhindern konnte, dass in den Stunden des Wartens und Schweigens seine Gedanken in die Vergangenheit schweiften, wo Wut und Schuld lauerten. Denn wenn er sich vor fünf Jahren schon in Geduld geübt hätte, dann wäre alles anders verlaufen. Dann säße er nicht hier, müsste nicht solche Jobs erledigen und …
    Wie immer verwarf er die Gedanken. Er konnte die Uhr sowieso nicht mehr zurückdrehen. Die Dinge waren geschehen. Und jetzt, nach fünf Jahren, war Geduld eine weitere seiner Tugenden geworden.
    Also wartete er, bis der Mann und sein kläffender Vierbeiner in der Finsternis des nahen Parks verschwunden waren. Wie jeden Abend würden sie dort eine Viertelstunde bleiben, soviel hatte David die letzten Tage herausgefunden. Gegen Gewohnheiten kamen die Menschen nur schwerlich an, und ihre Haustiere noch viel weniger.
    David entnahm seiner Sporttasche auf dem Beifahrersitz Maglite und Lederhandschuhe und trat ins Freie. Das Hundebellen geisterte wie ein fernes Echo über die Straße. Es war noch immer brütend warm.
    Davids Augen suchten die Umgebung ab. Aber da war niemand, nicht einmal mehr Geräusche. Er überquerte die Straße. Als er die Haustür erreichte, klebte ihm der Schweiß das Hemd auf die Haut.
    Errege keine Aufmerksamkeit.
    Nur für den Fall, dass sich ausgerechnet jetzt ein Passant in die Straße verlor, rasselte David mit seinem Schlüsselbund, so als suchte er nach dem passenden Schlüssel. Er beugte sich zum Schloss vor. Der Dietrich knackte es im Bruchteil einer Sekunde. David stopfte den Schlüsselbund in die Tasche seiner Chinos und stieß die Haustür auf.
    ~
    Während Hannah sich entkleidete, blieb ihr Blick zweifelnd an ihrem schlichten, nahtlosen Still-BH hängen. Nicht unbedingt ein hübscher Blickfang.
    Kurzentschlossen streifte sie den Büstenhalter ab, entnahm ihm die hautfarbenen Einlagen und presste sie auf ihre Brustwarzen. Dann zog sie sich das seidene Nachthemd über. Es spannte ein bisschen um die Hüfte, kein Wunder angesichts ihres Babybauchs.
Ihres Milliebauchs,
wie Philip ihn liebevoll nannte. Aber es passte.
    Hannah hatte keine Ahnung, warum sie ausgerechnet dieses Hemdchen mit dem spitzenbesetzten Dekolleté eingepackt hatte. Aber jetzt war sie froh darüber. Denn nach einer Überraschung wie der heutigen hatte Philip sich eine kleine Freude mehr als verdient.
    Sie holte die Tüte mit dem Hundefutter
aus der Reisetasche, ging damit in die Küche und füllte Bootsmanns Napf, damit
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