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Trias

Titel: Trias
Autoren: Marc Kayser
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einfach?« Croy schüttelte den Kopf und verschränkte die Beine. Vor dem Fenster machte ein Schwarm Möwen gehörig Lärm. Etwas lauter sagte er: »Meiner Meinung nach operieren terrorbereite Muslime und ihre Nachahmer inzwischen deshalb weltweit, weil ihre geistigen Brandstifter nicht mehr nur national denken. Aber sie unterscheiden sich sehr wohl erheblich von den überwiegend in Europa und Asien akzeptierten Neonazis. In unserem Kulturkreis sehen sich die Nationalen und ihre teils radikal-ideologischen Anhänger immer noch einer aufgeklärten und gebildeten Bürgerschicht gegenüber, die den Begriff Nationalsozialismus mit den Gräueltaten des Zweiten Weltkriegs in Verbindung bringt. Terrorbereite Muslime wie die Takfiri, die Taliban, militante Schiiten oder die Hamas morden zwar auch, aber im Namen Mohammeds. Im Namen Hitlers heute Wahlen zu gewinnen oder Anschläge durchzuführen, würde nicht funktionieren.«
    Kaltenborn atmete kurz durch. »Unsere Gesellschaft wird diese Phänomene aushalten müssen, oder« - der BKA-Vize griff nach einer Flasche Kirschsaft - »man stellt das System einmal vom Kopf auf die Füße. Die Wurzel allen Übels ist doch die Gesellschaftsstruktur selbst. Sie produziert linksextreme oder rechtsextreme Gruppierungen, angepasste, heuchlerische oder opportunistische Bürger.« Er goss sich das Glas halb voll.
    »Auf diese Gesellschaft haben wir einen Amtseid geleistet. Das sollten wir nicht vergessen«, erwiderte Croy. »Wir haben Menschen getötet, die unser Land schädigen wollten. Auch wir müssen unsere Gesellschaft aushalten - oder die Waffen abgeben und zu Priestern werden.«
    Kaltenborn wiegte den Kopf. Croy schenkte sich Kaffee nach. Er hatte plötzlich Lust auf eine Zigarette.
    Talo sah aus dem Fenster, auf den Schwarm Möwen, die sich jetzt auf den Buhnen verteilt hatten, die aufs Meer hinausragten. Er wollte und konnte sich an diesem Gespräch nicht beteiligen. So, wie seine beiden Kollegen auch, hatte er einen Eid auf die Verfassung und damit auf die Gesellschaft der Vereinigten Staaten abgelegt. Am Sonntag würde er nach Washington zurückfliegen, und wahrscheinlich stapelten sich auf seinem Schreibtisch längst die Akten neuer Fälle. Und Weihnachten stand vor der Tür.
     
    Eine helle Frauenstimme wehte zu ihnen hinüber.
    »Herr Croy?« Der Ermittler sah sich um. Die Stimme kam ihm bekannt vor. Er lächelte breit und winkte dem Mädchen zu.
    »Kommen Sie bitte herüber.«
    Sie war in eine blaue Dienstuniform gekleidet. Als sie kurz vor dem Tisch stand, erhoben sich die drei Männer. Sie sah verlegen zu ihnen hin.
    »Das ist das Zimmermädchen, das mir geholfen hat«, sagte er an seine Kollegen gewandt.
    »Ich heiße Janina«, sagte sie leise und streifte Croy dabei mit einem fragenden Blick.
    »O ja, Janina«, wiederholte Croy entschuldigend und sah auffordernd zu Kaltenborn und Talo. Ihr flogen nacheinander zwei Hände zu, die sie schüchtern drückte. Der Ermittler umfasste zurückhaltend, aber doch mit Kraft ihre Schultern. Sie nahm es gelassen.
    »Ohne sie wäre ich nicht so leicht in das Haus und somit zum Tatort gelangt.«
    »Alle Achtung«, sagte Kaltenborn. »Sie haben Mut bewiesen. Dürfen wir Ihnen etwas anbieten?«
    Sie sah von Kaltenborn zu Croy, schwieg einen Moment und sagte dann: »Haben Sie nicht vorgeschlagen, zusammen Champagner zu trinken, wenn Sie gesund wiederkehren?«
    Croy lachte auf. »Aber natürlich! Entschuldigen Sie … ich hatte es vergessen.«
    »Kein Problem«, lächelte sie schelmisch. Kaltenborn und Talo sprangen die Augen auf wie Samenpollen in einer Blüte. Janina steuerte grazil auf die Bar zu und flüsterte dem Kellner etwas ins Ohr. Croy sah ihr leicht nervös hinterher.
    Kaltenborn grinste. »Manchmal ist es leichter, den Mund zu halten als ein Versprechen.«
    Croy blickte etwas betreten. Ihm fiel Katja Kirchner ein. Er hatte sie vorhin noch gesehen, als sie mit ihrem Boxer an der Leine das Akkreditierungsbüro für Journalisten betrat. Er nahm sich vor, sie sehr bald zum Abendessen zu bitten. Doch zuerst musste er sein Versprechen einlösen …
    Kurz sah er zu Kaltenborn und Talo. »Sieht sie nicht aus wie eine Wassernixe?«, sagte er leise zu den beiden Männern. Die beiden blickten irritiert. Dann stand er hastig auf. »Warten Sie, Janina …«, rief er ihr zu.
    Das Mädchen winkte ihm fröhlich zu.

Epilog
    Berlin, Bundeskanzleramt, 21. Dezember, eine Woche nach dem G8-Gipfel
    Lydia Sprado erhob ihr Glas und sah auf die geladenen
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