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Treue Genossen

Treue Genossen

Titel: Treue Genossen
Autoren: Martin Cruz Smith
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vielleicht wie ein einzelnes, ungewöhnlich hässliches Geschöpf mit zwei Köpfen, einem Rumpf und einem Schwanz. Arkadi gab ihr ein Zeichen, sie solle verschwinden.
    »Überrascht?«, fragte Alex.
    »Eigentlich nicht. Geld wird als Mordmotiv überschätzt. Scham spielt eine größere Rolle.«
    »Das ist das Beste daran. Pascha und Timofejew konnten nirgends um Hilfe nachsuchen, denn dann wäre die ganze Geschichte ans Licht gekommen. Sie haben sich zu sehr geschämt, um ihr Leben zu retten. Können Sie sich das vorstellen?«
    »Das kommt ständig vor.«
    Oxana huschte um das Sofa herum, und nur weil Arkadi sie gesehen hatte, bekam er mit, wie sie wegrannte. Vielleicht noch fünfzig Schritte. Karel wartete auf dem Sofa. Arkadi widerstand der Versuchung, Taras fallen zu lassen und loszurennen, denn er bezweifelte, dass er in seiner Verfassung auch nur einer Schnecke entwischt wäre.
    »Ich habe ihnen geschrieben«, sagte Alex. »Ich habe von Iwanow und Timofejew nur eines verlangt: Sie sollten in die Sperrzone kommen und erklären, dass sie eine persönliche Mitschuld tragen, von Angesicht zu Angesicht.«
    »Timofejew ist gekommen. Und was ist mit ihm passiert?«
    »Ich habe nie gesagt, dass es keine Konsequenzen geben würde. Gerechtigkeit muss sein.«
    »Wie Sie oft zu Karel sagten.«
    »Allerdings.«
    Mit schlurfendem Gang erreichten sie den Rummelplatz. Karel lag noch ausgestreckt auf dem Sofa. Seine Augen waren geschlossen, und das Blut war von Kinn und Wangen gewischt worden. Sein mit Perlen verziertes Haar wirkte ordentlicher, und jetzt steckte an beiden Füßen ein chinesischer Pantoffel. Solche Dinge tat eine ältere Schwester, und Arkadi dachte, dass es Alex auffallen müsste, doch der schwelgte in Selbstgefälligkeit. Über ihnen ächzte eine Gondel des Riesenrads. Die Klage eines Riesenrads, das sich niemals drehte. Arkadi hatte noch nie einen so großen Mond gesehen. Das Riesenrad warf einen Schatten auf den Platz.
    Arkadi legte Taras auf den Boden.
    Alex ließ Dymtrus einfach von der Schulter gleiten. Als der große Milizionär auf dem Boden aufschlug, knackte sein Schädel wie eine zerbrochene Kokosnuss.
    »Wer hat Hulak erschossen?«, fragte Arkadi.
    »Keine Ahnung, ist mir auch egal. Er hat mit den Woropais abgesprochen, wo und was er stehlen durfte. Ich vermute, die haben ihn umgelegt.« Alex drehte Dymtrus, der im Rücken getroffen war, auf den Bauch und Taras, den er in die Brust geschossen hatte, auf den Rücken. Dann winkte er mit der Pistole, wo Arkadi sich postieren sollte, bis die Geometrie seinen Wünschen entsprach: ein aus toten Männern - Karel, Dymtrus und Taras - bestehendes Dreieck mit Arkadi in der Mitte. »Ich denke, dass wird eindringlich vor Augen führen, was alles passieren kann, wenn Bewaffnete Samogon trinken. Keine Sorge, die Schusswaffen und den Samogon besorge ich.«
    »Dann haben Sie mich also nicht vor den Woropais gerettet.«
    »Ich fürchte, nein. Es ist Ihnen nicht gelungen, von hier zu fliehen, aber Sie haben ihnen einen erbitterten Kampf geliefert, wenn Ihnen das ein Trost ist.«
    »Nur das Kissen fehlt, mit dem Sie Karel erstickt haben.«
    »Je ne regrette rien? Ach, wissen Sie, ich habe kaum sein Gesicht bedeckt. Er hat ein bisschen gestrampelt, das war’s. In Anbetracht seines Zustands würde ich sagen, ich habe ihn erlöst.«
    Alex trat zwei Schritte zurück in den Schatten des Riesenrads und hob die Waffe. Der Abstand zwischen ihnen war nicht zu groß und nicht zu klein.
    Arkadis Handy klingelte.
    »Lassen Sie es klingeln«, sagte Alex. »Immer eins nach dem anderen.«
    Das Handy klingelte und klingelte. Wenn die Ansage anfing, legte der Anrufer auf und drückte sofort die Wahlwiederholung. Das konnte nur Schenja sein, dachte Arkadi. Kein normaler Mensch besaß eine so nervtötende Ausdauer. Das Handy klingelte, bis Alex es Arkadi aus der Tasche zog und mit dem Fuß zertrat.
    Als dies getan war, in der ganzen Stadt Stille einkehrte und jedes Fenster ein ängstliches Auge wurde, trat Alex zurück und hob wieder die Waffe. Hinter dem Blütenkarussell kam Oxana in Arkadis Blickfeld geschlichen.
    »Würde es Ihnen etwas ausmachen«, sagte er zu Alex, »aus dem Schatten zu treten.«
    »Wollen Sie mich sehen, wenn ich Sie erschieße?«
    »Ganz recht.«
    Alex trat vor in das silbrige Licht.
    Arkadi wartete, gab ihm keinen Anlass, sich umzudrehen. Einen Augenblick lang starrte ihn Alex verblüfft an. Er schien sich darüber zu wundern, dass sich Arkadi so widerstandslos
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