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Treue Genossen

Treue Genossen

Titel: Treue Genossen
Autoren: Martin Cruz Smith
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Bettvorleger auf der Straße liegen«, entgegnete Arkadi, »auch nicht dem Oberst zuliebe.«
    »Hören Sie nicht auf Chefinspektor Renko«, erklärte Surin.
    »Er ist ein Hundertfünfzigprozentiger. Ein Drogenhund, der an jeder Tasche schnüffelt.«
    Nur gab es hier nicht mehr viel zu schnüffeln, dachte Arkadi. Die meisten Spuren waren vernichtet worden. Aus purer Neugier fragte er sich, ob wenigstens die blutigen Abdrücke am Fensterrahmen noch zu retten waren.
    Timofejew hielt sich ein Taschentuch an die Nase. Arkadi sah rote Flecken.
    »Nasenbluten?«, fragte Surin.
    »Eine Sommergrippe«, antwortete Timofejew.
    Gegenüber Iwanows Wohnhaus stand ein dunkles Bürogebäude. Ein Mann trat aus dem Eingang, winkte zu Arkadi herauf und drehte den Daumen nach unten.
    »Einer von Ihren Leuten?«, fragte Hoffman.
    »Ein Kriminalbeamter. Vielleicht hat da drüben jemand Überstunden gemacht und etwas beobachtet.«
    »Aber Sie führen keine Untersuchung durch.«
    »Ich tue, was der Staatsanwalt sagt.«
    »Dann glauben Sie also, dass es Selbstmord war?«
    »Selbstmorde sind uns lieber. Sie machen keine Arbeit und treiben die Kriminalitätsrate nicht nach oben.« Außerdem, dachte Arkadi, förderten Selbstmorde nicht die Unfähigkeit von Ermittlern und Miliz zutage, die sich besser darauf verstanden, Schnapsleichen von den Lebenden zu trennen, als einen Mord aufzuklären, der mit einem gewissen Maß an Weitblick verübt worden war.
    »Haben Sie Nachsicht mit Renko«, meinte Surin, »er hält ganz Moskau für ein kriminelles Pflaster. Das Problem ist nur, dass die Presse den Tod einer so bedeutenden Persönlichkeit wie Pascha Iwanow aufbauschen wird.«
    Und deshalb machte sich Selbstmord, begangen von einem psychisch labilen Finanzier, besser als Mord, dachte Arkadi. Timofejew mochte den Freitod seines Freundes beklagen, aber durch eine Morduntersuchung konnte die gesamte Firma NoviRus ins Zwielicht geraten, insbesondere aus Sicht ausländischer Partner und Investoren, die ohnehin zu der Ansicht neigten, dass geschäftliche Unternehmungen in Russland ein Vabanquespiel waren. Da es Surin war, der Arkadi die Anweisung gegeben hatte, Iwanows Geldgeschäfte zu untersuchen, musste diese Kehrtwende prompt vollzogen werden. Er war also weniger ein Oberkellner, sagte sich Arkadi, als vielmehr ein tüchtiger Seemann, der wusste, wann er den Kurs ändern musste.
    »Wer hatte Zutritt zu der Wohnung?«, fragte Arkadi.
    »Niemand außer Pascha«, antwortete Surin. »Die Sicherheitseinrichtungen waren die besten der Welt.«
    »Die besten der Welt«, bekräftigte Timofejew.
    »Das Gebäude ist mit Überwachungskameras gespickt«, erläuterte Surin. »Innen wie außen. Und die Monitore können nicht nur an der Empfangstheke hier im Haus überwacht werden, sondern auch in der Sicherheitszentrale von NoviRus. Die anderen Wohnungen haben normale Schlösser. Iwanow hatte ein Code-Schloss, dessen Code nur er kannte. Außerdem hatte er einen Aussperrknopf neben dem Aufzug. Wenn er drin war, konnte niemand hinein. Er verfügte über alle Sicherheitseinrichtungen, die man sich nur wünschen kann.«
    Arkadi war in der Eingangshalle gewesen und hatte die in einem runden Tisch aus Rosenholz versenkten Monitore gesehen. Jeder Bildschirm war vierfach unterteilt. Zudem hatte der Mann am Empfang ein weißes Telefon mit zwei Leitungen nach draußen und ein rotes Telefon, über das er direkt mit NoviRus verbunden war.
    »Das Gebäudepersonal kennt Iwanows Code also nicht?«
    »Nein. Nur die Zentrale von NoviRus.«
    »Wer hatte dort Zugang zu dem Code?«
    »Niemand. Es war versiegelt, bis heute Nacht.«
    Nach Auskunft des Staatsanwalts hatte auf Iwanows Anweisung niemand außer ihm die Wohnung betreten dürfen, niemand vom Personal, keine Putzfrau, kein Klempner. Jeder, der es versuchte, wäre auf den Monitoren aufgetaucht und auf Band aufgenommen worden, und die Mitarbeiter hatten niemanden gesehen. Iwanow putzte seine Wohnung selbst. Müll, Wäsche, Sachen für die Reinigung, Einkaufslisten und so weiter gab er dem Fahrstuhlführer. Lieferungen mussten in der Halle warten, bis er zurückkam. Aus Surins Mund klang das alles so, als sei Iwanow ein vielseitiger Mann gewesen.
    »Exzentrisch«, sagte Arkadi.
    »Er konnte es sich leisten, exzentrisch zu sein. Churchill lief nackt durch sein Schloss.«
    »Pascha war nicht verrückt«, warf Rina ein.
    »Sondern?«, fragte Arkadi. »Wie würden Sie ihn beschreiben?«
    »Er hat abgenommen. Er sagte, er habe eine
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