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Treibgut

Treibgut

Titel: Treibgut
Autoren: Maren Schwarz
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Freund im Grunde genauso dachte. Statt Genugtuung zu verspüren, musste er an Pascal Austen denken. Ohne Henning wären die Frauenmorde womöglich nie aufgeklärt worden. Was, wenn sein Instinkt ihn trog, er sich täuschte und Henning mal wieder den richtigen Riecher hatte?
    Mitten in seine Überlegungen hinein eröffnete ihm Henning, dass er sich mit Elenas Betreuer in Verbindung setzen werde. »Du weißt doch: Oft sind es Kleinigkeiten, übersehene Details, die einen in aussichtslosen Fällen voranbringen.«
    Noch bevor Peer etwas darauf erwidern konnte, klickte es in der Leitung.

5
     
     
    Kaum hatte Henning aufgelegt, meldete sich sein schlechtes Gewissen. Was war bloß in ihn gefahren? Hatte er allen Ernstes geglaubt, Peer mittels dieses Zeitungsartikels umstimmen zu können? Fragen über Fragen mit unbefriedigenden Antworten. Er seufzte. Was er jetzt brauchte, war ein Spaziergang, der ihm wieder zu einem klaren Kopf verhalf. Also zog er sich seine Winterjacke über und rief nach Rex.
    Nach einer wohltuenden Stunde in der Kälte wärmte er sich zuhause die Reste eines Gemüseeintopfs auf. Als das Essen auf dem Herd stand, rief er Elenas Betreuer Edgar Bader an. Es gelang ihm, den Mann davon zu überzeugen, sich heute noch mit ihm zu treffen. Sie verabredeten sich für drei Uhr.
     
    Als Henning losfuhr, riss die Wolkendecke auf und die Wintersonne kam zum Vorschein. Sie strahlte ihm von einem stahlblauen Himmel entgegen und verwandelte die mit Raureif überzogenen Wiesen und Felder in ein Meer aus funkelnden und glitzernden Kristallen. In Sellin angekommen, stellte er sein Auto auf einem der gebührenpflichtigen Parkplätze in der Nähe der Seebrücke ab und zog einen Parkschein. Dann schlenderte er gemächlich in Richtung des mit Edgar Bader vereinbarten Treffpunkts.
    Dort bot sich ihm ein atemberaubender Blick auf die Seebrücke, die inmitten des aufgewühlten Meeres in leuchtendem Weiß erstrahlte.
    Die Hände in den Taschen seines Wintermantels vergraben, sah er über die Spaziergänger und vereinzelten Jogger hinweg, die auf dem unter ihm liegenden Strandabschnitt unterwegs waren. Ein leises Hüsteln hinter ihm ließ ihn herumfahren. Vor ihm stand Edgar Bader. Er erkannte ihn durch dessen Beschreibung am Telefon. Obwohl er Henning um Kopfeslänge überragte, verlieh ihm seine untersetzte Statur etwas Behäbiges. Sein Haar war an den Schläfen ergraut und unter seinen grün schimmernden Augen hatte er Tränensäcke. Henning schätzte ihn auf Mitte bis Ende 50. Zu Schal und tief in die Stirn gezogenem Hut trug er einen schwarzen Wollmantel. Die trotz des Sonnenscheins frostige Luft hatte seine mit einem Netz feiner Äderchen durchzogenen Wangen rot gefärbt.
    »Wie sieht’s aus? Darf ich Sie zu einer Tasse Kaffee einladen?«, erkundigte sich Henning und deutete auf das auf der Seebrücke gelegenen Cliff-Hotel.
    Auf Edgar Baders zustimmendes Nicken hin gingen sie zur Seilbahn, um sich von ihr zur Seebrückenplattform hinunterbringen zu lassen.
    Kurz darauf betraten sie den im Jugendstil gehaltenen ›Palmengarten‹. Außer ihnen war nur noch ein älteres Ehepaar anwesend. Die beiden Männer steuerten eine der Korbstuhlgarnituren am Fenster an. Durch die bis zum Boden reichenden Sprossenfenster sahen sie, über das bewegte Meer hinweg, auf die Wissower Klinken. Sobald der Kellner ihre Bestellung aufgenommen hatte, kam Henning auf sein Anliegen zu sprechen. Als er geendet hatte, erkundigte sich sein bis dahin wortkarg gebliebener Begleiter, ob er irgendwelche Dokumente oder Referenzen bei sich habe, mit denen er sich ausweisen könne.
    Henning schob seinen Ausweis über den Tisch. »Etwas anderes hab ich Moment leider nicht dabei. Aber Sie können sich gerne bei Kommissar Peer Boström vom Bergener Polizeirevier nach mir erkundigen. Wir beide sind gute Freunde«, fügte er mit Verweis auf die von Pascal Austen verübten Frauenmorde hinzu, die durch seine Mithilfe aufgeklärt wurden.
    Schlagartig hellte sich Edgar Baders bis dahin eher sorgenvolle Miene auf. »Natürlich hab ich davon gehört! Dann waren Sie das also!« Die Art und Weise, wie er das ›Sie‹ betonte und ihn dabei musterte, sagte mehr als tausend Worte. »Ich hoffe, Sie verzeihen mir mein Misstrauen. Aber heutzutage kann man nicht vorsichtig genug sein.« Er räusperte sich. »Ich kann mich doch darauf verlassen, dass Sie meine Auskünfte vertraulich behandeln werden?«
    Henning nickte.
    »Bevor ein Betreuer zum Einsatz kommt, wird zunächst
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