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Treibgut - 11

Treibgut - 11

Titel: Treibgut - 11
Autoren: Karl-Heinz Witzko
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boronischen Schnarchen und rahjaischen Stöhnen seiner Mitsklaven.
    Liva betrat die Kammer, in der er künftig leben sollte, nur kurz. Gleichgültig betrachtete er die rohen Lehmwände und das Schilfdach. Als er wieder herausgekrochen kam, meinte Nestorio: »Bilde dir bloß nichts darauf ein. Du haust hier nur deshalb, weil der Herr es befohlen hat. Wenn du mir krumm kommst, kann ich jederzeit dafür sorgen, daß du zu den anderen mußt. Hörst du?« Liva nickte nur gleichgültig und drehte dem Bonzen den Rücken zu. »Wo ist diese Zeradia, zu der du mich bringen solltest?« fragte er eher beiläufig.
    Nestorios Rechte schoß vor, umklammerte Livas Schulter und zwang ihn herum. Wie einfach das doch ist! Welch ein Schwächling! dachte er und preßte den Neuen gegen die Wand des Anbaus. »Niemand dreht mir den Rücken zu, wenn er mit mir spricht, verstanden?« knurrte er, und um seine Worte zu bekräftigen, boxte er Liva hart gegen den Oberarm. »Verstanden?« wiederholte er.
    »Ja, Bonze«, antwortete Liva mit gesenktem Blick.
    Als Zeradia kam, die Beschützerin, um den neuen Hauslehrer zum Barbier zu führen, rief ihm Nestorio gehässig hinterher: »Hast du vergessen, was die Herrin gesagt hat? Wie sollst du gehen, Liva?«
    Sogleich verfiel jener wieder in den gekrümmtem Greisengang.
     
    Als Querinia Liva am Abend wiedersah, hätte sie ihn fast nicht wiedererkannt. Es lag nur am Familienzeichen der Gordovanaz, das auch ihm inzwischen auf den Arm gemalt worden war, daß sie ihn nicht für irgendeinen Fremden gehalten hatte, denn die Anordnung der Farben wies ihn eindeutig als zum Haushalt gehörig aus, und da nicht von zwei Neulingen getratscht worden war, schloß sie, daß der alte Mann, der dort unter den Arkaden auf einer Steinbank saß und den Kopf gegen die Wand gelehnt hatte, wohl Liva sein müsse. Erstaunt starrte sie ihn an.
    Livas Haar war nicht mehr schwarz, sondern weiß gebleicht und mit der Brennschere in Löckchen gelegt worden. Zusätzlich hatte der Barbier ihm große Geheimratsecken rasiert. Doch nicht allein das trug zu dem Anschein bei, daß er in wenigen Stunden um Jahrzehnte gealtert war, sondern auch die Schminke, die man ihm aufzulegen befohlen hatte. Man hatte ihm beigebracht, sie so aufzutragen, daß seine Haut älter und faltiger wirkte. Von Ferne erfüllte die Farbe durchaus ihren Zweck, doch aus der Nähe sah Liva aus wie eine bemalte Holzpuppe.
    »Ich bin es tatsächlich«, erklärte er und hob beide Hände in einer hilflosen Geste. Querinia fragte nicht nach, warum Liva jetzt so aussah, denn zuerst Nestorio, dann Curma und schließlich Sica hatten es schon herumerzählt. Nur, daß es so schlimm aussähe, das hatte sich Querinia nicht vorgestellt. Sie setzte sich zu ihm.
    »Du kommst nicht aus Al’Anfa?« eröffnete sie das Gespräch.
    »Nein«, antwortete er, »aus Neetha. Das ist eine Stadt im Lieblichen Feld, weit im Norden.«
    »Und warum haben dich deine Herrschaften verkauft?«
    »Sie haben mich nicht verkauft«, antwortete er langsam, »es gibt dort keine Sklaven.«
    Querinia starrte ihn nur großäugig an. Das konnte nicht wahr sein. Da sie keine Lust hatte, sich Lügengeschwätz anzuhören, stand sie auf, damit er sähe, daß sie ihn durchschaut hatte.
    »Bleib doch, Querisch, es stimmt wirklich«, sagte Liva und verzog dabei das Gesicht so komisch, daß Querinia lachen mußte. Doch vielleicht rührte der komische Gesichtsausdruck auch nur von der Schminke.
    »Querinia heiße ich«, verbesserte sie ihn und ließ sich wieder nieder. »Aber wenn es dort keine Sklaven gibt …?«
    »Ich bin später Sklave geworden, in Chorhop«, erklärte er ihr. »Weißt du, ich war Schüler im Praiostempel in Neetha und sollte eigentlich Schreiber und Kalligraph werden, aber weil es dort so streng zuging, bin ich eines Tages geflüchtet. Ich dachte, woanders lebe es sich besser. Also bin ich mit einem Schiff nach Chorhop durchgebrannt. Aber es war nicht besser, ich bin dort bloß ein kleiner Junge gewesen, der nichts besaß. Also, was habe ich getan?«
    Er schaute Querinia an, als erwartete er eine Antwort von ihr. Sie konnte ihm aber keine Antwort geben, da sie immer Sklavin gewesen war und man ihr stets gesagt hatte, was sie zu tun habe.
    Liva beantwortete seine Frage selbst: »Ich habe das getan, was jedes Kind tut, das allein in einer fremden Stadt ist und nichts besitzt. Ich tat das, was Bruder Phex mich wies. Das ging einige Zeit ganz gut, bis man mich faßte. So wurde ich Sklave. Später
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