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Traurige Therapeuten: Roman (German Edition)

Traurige Therapeuten: Roman (German Edition)

Titel: Traurige Therapeuten: Roman (German Edition)
Autoren: Ingomar von Kieseritzky
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wohlauf. Problem bei Frettchen: Wollen nicht kopulieren. Schade. Schon wieder keine Indikation auf das Triebdämpfungs-Programm nach Chesser und Dr. Brohm.
    Diagnose: Die Dame hatte die Frettchen auf Diät gesetzt, Leibnizkekse und Broccoli. Sind falsch bei Frettchen, wahre Vampire. Mögen Blut. Fröhliche Wissenschaft, wieder nur Funktionsstörungen wie bei allen.
    Therapie: Aus den Volumina der Dame geschlossen, dass viel Eigenblut. Empfahl Absetzung der Diät, stattdessen solle sie die armen Frettchen ihr Blut saugen lassen, das seien ganz zarte Bisse, man könne von Liebesbissen sprechen.
    Wat denn, wat denn, sagte die Mollige aus dem Wedding, ick soll meine Mäuschen an mir Blut saugen lassen, wat nich noch! Un denn machen ’se wieder die Fortpflanzungssache, wat Sie nich saachen. Na denn.
    Sie hatte kein Geld, versprach mir aber ein Pärchen aus der Zucht. Ich war einverstanden. Vielleicht mochten die Frettchen im Praxis-Betrieb die Pharao-Ameisen und umgekehrt. Nichts geht über die Harmonie zwischen Tieren.
    Wie heißen, fragte ich zum Abschied, Ihre entzückenden Tierchen?
    Charles und Camilla, sagte die Dame stolz, et sin det die Namen von die Royls.
    Da erschien Herr Borst, und er entsprach auch in der Realität der schönen Illustration von Le Brun aus seiner Physiognomik. Die Dame aus dem Wedding sah ihn an, die Frettchen sahen ihn an und bedeckten blitzschnell ihre Augen mit allen Pfoten. Schneller Abgang.

 
    15 Ja, die Tiere und die Menschen, sagte diese große Eule, leben sie, sind sie mitunter angenehm, aber ihre wahre Schönheit erreichen sie nach meiner Methode erst im Tod und werden dann erst unsterblich. Mein Name ist Borst, sagte er, Philosoph und Taxidermist.
    Wir führten ihn sofort in den Schlummerraum und boten Gordon’s Gin an, den er ablehnte, er trinke nur Cocktails, am besten wäre ein Daiquiri.
    Ich konsultiere Sie wegen Ihrer Freundschaft zu meiner russischen Freundin Larissa, Sie werden sich erinnern; der Barsoi, will sagen, die Hündin kam herab oder nieder mit vier Bastarden, sie war doch gravide, was Ihrem Scharfblick entgangen ist – trotzdem, Monsieur, alles in Ordnung, Larissa nahm nicht übel. Sie bewundert Ihre Liebe, Empathie und Sympathie gegen das Tier.
    Der Barsoi, will sagen, die Hündin, ging nach der schweren Geburt durch meine Hände, und die Hündin, will sagen, der Barsoi und die kleinen Bastarde, halb Windspiel, halb Dogge, sehr possierlich, machen sich großartig. Mein Freund – ich darf doch Freund sagen – wir haben höhere Ziele zu verfolgen als die Sanierung lebender Menschen und Tiere. Sehen Sie, sagte er, in diesen Kasten. Und er stellte einen Kasten im Format 20 × 20 cm auf die Theke.
    In einer Höhle standen auf bemalten Styropor-Felsen zwei winzige Mäuse und spähten aus ihrem Höhlenloch; mehrere Junge wimmelten, teils stehend, teils schlafend.
    Wir betrachteten die Szene, die eine Birne im Inneren des Kastens illuminierte, mit Achtung und benutzten das Guckloch der Hinterseite.
    Es ist dies, sagte der Philosoph und Präparator, das Modell des platonischen Höhlengleichnisses mit einer Familie etruskischer Spitzmäuse. Die Präparation inklusive der Schnurrhaare dauerte zwei Jahre.
    In der Tat war die Szenerie sehr naturgetreu.
    Herr Borst, sagte ich, was ich sehe, sind präparierte Mäuse in einer künstlichen Höhle; warum das Tableau Platons Höhlengleichnis heiße?
    Wenn Sie eine Taschenlampe nehmen, sagte Borst, und die Sache hinter Glas von vorn betrachten, sehen Sie unschwer die Schatten der Ideen.
    Ja dann, sagte Frau Horak.
    So könne man die Sache sehen, sagte ich.
    So müsse man sie sehen, sagte Herr Borst.
    Frau Horak starrte noch einmal frontal in die Höhle.
    Die Mäuse, sagte sie, konstituierten eine Usurpation absoluter Zeit im Raum.
    Sie haben mich verstanden, sagte Borst bewegt, das war exakt meine Intention. Und man könne durch die Anima der Tiere im Modell sogar das Nichtende Nichts Heideggers dingfest machen.
    Ja, sagte Frau Horak, nehmen Sie noch einen Daiquiri, das ist ja alles ganz wunderbar, und sie entließ einen langen, am Schluss etwas unklaren Satz über die Signifikanz der Phantasmata.
    Meine Idee ist, da Freund Curtius leider unzugänglich blieb, unsere beiden Geschäftsbereiche zu koordinieren. Wie sieht es denn mit Ihrer Mortalitäts-Quote aus?
    Schlecht, sagte ich; meine Therapien seien alle wasserdicht.
    Schade, sagte Borst und fixierte uns bohrend aus seinen gelben Augen. Das sei entschieden zu wenig. Welche
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