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Traurige Therapeuten: Roman (German Edition)

Traurige Therapeuten: Roman (German Edition)

Titel: Traurige Therapeuten: Roman (German Edition)
Autoren: Ingomar von Kieseritzky
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Spinnen, mehr nicht.
    Haustiere, sagte Passow verächtlich.
    Wir schwiegen.
    Die Gesundheit ist immer ein ergiebiges Thema für ältere Herren, so fragte ich, mich zu dieser Höflichkeit aufraffend, nach seinem Gesundheits-Status.
    Der sei leidlich, sagte Passow, und so war auch dieses schöne Thema erledigt, schade eigentlich.
    Du bist, sagte Passow plötzlich, in der Talsohle des Jammers.
    Da möge er recht haben, sagte ich.
    Du hattest früher omnipotente Heil- und Therapie-Phantasien und Visionen, sagte Passow, herrliche, ganz unorthodoxe Methoden, ja, du warst ein mehr als vielversprechendes Talent … wenngleich du immer einen für mich pathologischen Hang zum sog. Positiven hattest, gewissermaßen als lebenspraktisches Prinzip …
    Das sei lange her, sagte ich.

 
    17 Ich hatte Eugen Passow 1963 in Wien unter nicht besonders glücklichen Umständen schätzen gelernt; dort betrieb er in der Josephsstadt ein kleines Geschäft mit Devotionalien aller Art und zweifelhafter Provenienz, Heiligenbildchen, in den meisten Fällen liebliche Madonnen im Postkartenformat, Bibeln in 22 Sprachen, inklusive Volapük und Esperanto, und natürlich christliche Sekundär- und Primärliteratur von Augustinus bis Zwingli.
    Der einzige Verkaufshit war eine japanische Trickpostkarte, eine naturgetreue, sehr bunte holographische Szene – Jesus ante und post mortem. Die Rosenkränze hingen traurig über den Bücherregalen an der mit blauem Samt bespannten Wand. Von der gegenüberliegenden, weiß getünchten Wand starrten diverse gerahmte bekannte oder unbekannte Heilige auf die Rosenkränze, die Kruzifixe auf Sockeln und gläsernen Briefbeschwerer mit frommen Motiven. Der heilige Sebastian war oft vertreten, auch auf Atelier-Photographien aus Italien, immer in den schönsten Posen innig empfundener Schmerzen. Auf einer Photographie sah die wohlgeformte Eichel eines bärtigen Athleten aus der Wäsche. Dieses Bild, sagte Passow, finde mitunter bei Damen aus der Lodenfraktion gewissen Anklang. Der Rest bleibe liegen, aber Sebastian teile sein Schicksal mit dem heiligen Eusebius, Franz von Assisi, Christophorus und dem heiligen Bernhardin von Feltre, dem Schutzpatron der Leihanstalten, während der heilige Laurentius floriere, der auf der Reproduktion unter sengender Sonne, wahrscheinlich in ein Dankesgebet vertieft, seinen gehäuteten Leib durch die Wüste schleppe.
    Japanische Gruppen kauften ihn gern. Die Einheimischen mögen keine Ausländer, nicht mal nach der Heiligsprechung.
    Neben der Tür zur Toilette hatte Passow die Grotte de Massabielle von Lourdes installiert, illuminiert wurde der exklusive Ort von einer Tiffany-Lampe auf Kupfersockel.
    Der heilige Augustinus blickte dort verschlossen auf besonders teure Exponate – die Sammlung der Hymen Mariä, Splitter vom Kreuz und Kies vom Berg Golgatha und eine Handvoll Präputii Christi, alle Objekte in quadratischen Blöcken aus Kunstharz. Auch die ließen sich nicht losschlagen, trotz Zertifikation.
    Ein exkommunizierter Priester aus Viterbo schwatzte meinem Freund eines Tages einen Posten vergoldeter, angeblich von irgendeinem Papst gesegneter Weihwasserpistolen für spontane Bekehrungen auf. Ein Flop, sagte Passow traurig, sie kamen nie zum Einsatz, sozusagen im direkten Gebrauch an Mann oder Frau, Kind oder Tier.
    Ich glaube nicht, dass Eugen Passow ein besonders guter Geschäftsmann war. Seine späteren Geschäftsideen waren brillant, aber leicht obskur.
    In der Zeitschrift DU und das Tier hatte er gelesen, dass Elephantendung das Wachstum von Spalierfrüchten, Tomaten und Bohnen rasant beschleunige. Im Zoo von Schönbrunn bestach er einen alten Wärter namens Stasny im Morgengrauen, der ihm ein paar Eimer Dung (pro Woche vier) besorgte. Der Elephantenkot roch nicht sehr stark.
    Gottlob, sagte Passow, sind diese herrlichen Tiere Pflanzenfresser.
    Die Situation verlangte nach Diversifikation; Passow inserierte in der Kronenzeitung mit dem Vermerk: Selbstabholer bevorzugt! und wartete geduldig.
    In dieser Zeit verlobte er sich mit Fräulein Stasny, einer dicken jungen Dame mit langen, brünetten Zöpfen; der Dung schimmelte in den Eimern, kein Käufer in Sicht. Passow träumte von Löwenkot. Orchideen, so hatte er gelesen, entfalteten angeblich frenetisches Wachstum mit Hilfe dieser Substanz, wenn man sie mit Molkepulver vermischte.
    Passows Wohnung verwandelte sich in eine Fabrik.
    Die Kosten für die Annoncen waren enorm; das Geschäft wollte nicht recht florieren. Der
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