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Traumzeit

Traumzeit

Titel: Traumzeit
Autoren: Barbara Wood
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sich zu kämmen, und lasse sie wachsen, wie die Natur es wollte.
    Joanna spürte den Druck der kleinen Finger in ihrer Hand und erinnerte sich daran, wie verzweifelt dieser kleine Junge den Kopf auf den Boden geschlagen hatte, als versuche er, unaussprechliche Eindrücke zu verjagen. Deshalb antwortete sie: »Also gut, Mr. Westbrook. Ich komme für einige Zeit mit Ihnen.«
    Er lächelte sie erleichtert an. »Möchten Sie in der Stadt noch etwas besorgen? Vielleicht wollen Sie Ihrer Familie einen Brief schicken und Ihre Adresse mitteilen.«
    »Nein«, sagte sie, »ich habe keine Familie.«
    Als Westbrook den großen Koffer im Wagen verstaute, öffnete Joanna eine kleinere Tasche. Sie holte eine Flasche und einen sauberen Verband heraus. Dann betupfte sie Adams Wunde.
    »Womit behandeln Sie die Wunde?« fragte Westbrook.
    »Eukalyptusöl«, erwiderte Joanna. »Es wirkt antiseptisch und beschleunigt die Heilung.«
    »Ich wußte nicht, daß es außerhalb Australiens Eukalyptusbäume gibt.«
    »Man hat einige nach Indien gebracht, wo ich gelebt habe. Meine Mutter kaufte das Öl bei einem ansässigen Drogisten. Sie hat es oft verwendet. Zu ihren Begabungen gehörten die Medizin und das Heilen.«
    »Ich dachte immer, außerhalb von Australien wisse kein Mensch etwas über die Heilkraft von Eukalyptusöl. Natürlich verdanken wir dieses Wissen den Aborigines. Sie benutzten Eukalyptus als Heilmittel schon viele Jahrhunderte, bevor der weiße Mann hierherkam.«
    Der Wagen setzte sich langsam in Bewegung. Sie verließen den Kai, die Menschen und die
Estella.
Joanna fragte sich, was sie möglicherweise irgendwo in dem drei Millionen Quadratmeilen großen Land finden würde. Sie dachte an eine geheimnisvolle junge Schwarze, von der ihre Mutter erzählt hatte, weil sie öfter in ihren Träumen aufgetaucht war, dachte auch an die Großeltern, die vor mehr als vierzig Jahren auf diesen Kontinent gekommen waren. Joanna dachte an Träume und Alpträume und daran, welche Bedeutung sie haben mochten. Und sie dachte daran, daß sie an den Ort zurückkehren würde, wo alles seinen Anfang genommen hatte, wo auch die bruchstückhaften Erinnerungen der Mutter ihren Anfang nahmen. Dort hatte etwas begonnen, das ein Ende finden mußte.
    Schließlich beschäftigte sich Joanna mit dem Mann neben ihr und dem kleinen verletzten Jungen. Diese Menschen waren unvermutet in ihr Leben getreten. Und plötzlich überkam sie Staunen und das Gefühl einer unbestimmten Angst.

Kapitel Zwei
    1
    Pauline Downs konnte ihre Hochzeitsnacht kaum erwarten. Während die Näherin die letzten Nadeln an dem eleganten
Peignoir
befestigte, drehte sich Pauline hierhin und dorthin und bewunderte sich in dem hohen Spiegel. Sie konnte kaum ihre Erregung unterdrücken.
    Wenn Hugh mich darin sieht!
    Es war der allerletzte Schrei – das heißt, es waren nur die Wochen vergangen, die Schnittmuster und Stoff für den Transport von Paris nach Melbourne gebraucht hatten. Der
Peignoir
aus blassem, pfirsichgelbem Satin war mit Valenciennespitze besetzt und hatte die winzigen Knöpfe, die nur das Haus Worth produzieren konnte. Der schimmernde Stoff umspielte Paulines schlanken Leib, betonte die vollen Brüste und die glatte Hüfte. Er umspielte die Füße fast wie eine Schleppe und ließ die große, schlanke Pauline noch größer wirken. Viele Wochen hatte sie gebraucht, um den richtigen Schnitt für diesen
Peignoir
zu finden, den sie in ihrer ersten Nacht mit Hugh Westbrook tragen wollte. Jetzt war er fertig, und Pauline wünschte sich nichts sehnlicher, als daß auch jene Nacht gekommen sei.
    Der
Peignoir
war nur ein Teil der riesigen Ausstattung, die sie für ihre Flitterwochen vorbereitete. In der Suite in Lismore, ihrem Haus im westlichen Distrikt, türmten sich die Stoffballen, Modezeitschriften, Schnittmuster und Roben in verschiedenen Stadien der Fertigstellung. Es waren alles keine gewöhnlichen Kleider. Pauline hielt sich nicht für eine gewöhnliche Frau. Sie würde sicherstellen, daß ihre Brautausstattung nach der allerletzten Mode war, auch wenn sie auf der anderen Seite der Welt in einer Kolonie lebte, die üblicherweise ein paar Jahre hinter der europäischen Mode herhinkte.
    Wunderbar, dachte Pauline, als sie einen Blick auf die Kleider warf, die sie als Mrs. Hugh Westbrook tragen würde. Mit den beschwerlichen alten Krinolinen war es endlich vorbei. Aus Europa kam eine völlig neue Mode, und Pauline konnte es nicht erwarten, diese radikal neue Erfindung
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