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Traumzeit

Traumzeit

Titel: Traumzeit
Autoren: Barbara Wood
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Hände und die staubigen Stiefel auf, aber wenn Pauline ihn ansah, dann stand vor ihr der kultivierte Gentleman, der er eines Tages sein würde – denn dazu würde sie ihn machen. Dafür liebte sie ihn.
    »Das reicht für heute«, sagte Pauline zu der Näherin. »Gönnen Sie sich eine Pause und trinken Sie eine Tasse Tee. Ach, und würden Sie bitte Elsie sagen, sie soll mir ein Bad einlassen?«
    Pauline hatte ihre Hoffnungen auf Hugh Westbrook lange Zeit für sich behalten. Die Gesellschaft im westlichen Distrikt hatte erwartet, sie werde jemanden aus ihrer Klasse heiraten – einen reichen, angesehenen Mann –, aber Pauline hatte sich Hugh in den Kopf gesetzt. Sie sorgte dafür, daß sie ihm bei jeder erdenklichen Möglichkeit begegnete: auf der jährlichen Landwirtschaftsausstellung, bei Tanzfesten und Einladungen auf den umliegenden Farmen, beim Pferderennen und bei ihr zu Hause, wenn Hugh mit ihrem Bruder Frank Probleme der Schafzucht besprach. Und jedesmal, wenn sie ihn sah, wuchs ihr Verlangen. Manchmal erschien er unerwartet auf seinem Pferd. Wenn er dann lächelte und ihr zuwinkte, schlug ihr Herz schneller. Danach konnte Pauline abends nicht einschlafen. Sie stellte sich immer wieder vor, wie es wohl sein mochte, seine Frau zu sein und mit ihm in einem Bett zu liegen …
    An den genauen Zeitpunkt, an dem sie wußte, daß sie ihn heiraten würde, konnte sie sich nicht mehr erinnern. Aber ihre vorsichtige und, fein gesponnene Verführung dauerte beinahe drei Jahre. Sie zog Hugh in einen Flirt, der bei ihm den Eindruck erweckte, er habe sie dazu verführt. Man mußte Pauline nicht sagen, wie ihr Haar im Mondlicht wirkte. Deshalb machte sie in mondhellen Nächten Spaziergänge mit Hugh im Garten. Sie wußte auch, wie gut sie aussah, wenn sie mit dem Bogen am Schießstand stand. Deshalb sorgte sie für Hughs Anwesenheit bei den Wettbewerben, an denen sie teilnahm. Als sie von seiner Vorliebe für
Dundee
-Kuchen und Eiercurry erfuhr, fand sie bald ebenfalls großen Geschmack daran. Als Hugh erzählte, sein Lieblingsdichter sei Byron, las Pauline tagelang Byrons Werke.
    Schließlich begann Hugh, über die Ehe zu reden. Er wurde dreißig, und immer öfter hörte sie bei ihm den Satz: »Wenn ich verheiratet bin«, oder »Wenn ich Kinder habe«. Da wußte Pauline, die Zeit war gekommen. Doch andere Frauen machten sich ebenfalls Hoffnungen. Pauline zweifelte nicht mehr daran, daß er viel für sie empfand, aber eine eindeutige Äußerung hatte sie von ihm noch nicht gehört. Und so kam ihr großes Geheimnis in die Welt.
    Die gesamte feine Gesellschaft wäre schockiert gewesen, wenn bekannt geworden wäre, was sie getan hatte. Sie hatte Hugh einen Antrag gemacht. Ihre Freundinnen hätten erklärt, ein solches Vorgehen erniedrige eine Dame, und kein Mann sei es wert, sich so schamlos ›wegzuwerfen‹. Pauline hielt es für ein sehr pragmatisches Vorgehen. Die Zeit verging. Mehrere Frauen im Distrikt luden Hugh zum Tee oder zu Ausritten ein und schenkten ihm bei gesellschaftlichen Veranstaltungen ihre Aufmerksamkeit. Pauline sah sich deshalb eines Tages aus ganz praktischen Erwägungen dazu veranlaßt, Hugh zu einem Picknick am Fluß einzuladen – an diesem Tag lag Regen in der Luft. Sie ritten zusammen aus und aßen am Fluß ein köstliches Eiercurry und
Dundee
-Kuchen. Sie sprachen über Schafe, über die Kolonialpolitik, über den aufsehenerregenden Darwin und den neuen Roman von Jules Verne. Und dann öffnete der Himmel seine Schleusen, als habe Pauline es so inszeniert. Sie und Hugh mußten unter den nahen Bäumen Schutz suchen. Aber natürlich wurden sie naß, stolperten auf dem weichen Boden, mußten sich aneinander festhalten, weil sie so ausgelassen lachten. Und dann sagte Pauline: »Weißt du, Hugh, ich finde, wir sollten heiraten.« Er hatte sie daraufhin so fest und leidenschaftlich geküßt, daß Pauline später fand, sein flammender Kuß habe die Blitze in Schatten gestellt, die um sie herum zuckten. Er hatte sie nur einmal geküßt, aber das reichte. Hugh hatte gesagt: »Heirate mich«, und Pauline hatte gewonnen.
    Doch nach der offiziellen Verlobung stellte Pauline fest, Hugh auf einen Hochzeitstermin festzulegen, war ebenso schwer, wie einen Wirbelwind festzuhalten. Seine Farm stand immer an erster Stelle: Die Hochzeit konnte nicht im Winter sein, wegen der notwendigen Ausbesserungsarbeiten, hatte er gesagt, auch nicht im Frühling, weil dann die Lämmer geworfen und die Schafe geschoren wurden.
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