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Traumzeit

Traumzeit

Titel: Traumzeit
Autoren: Barbara Wood
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vorzuführen, die man Tournüre nannte, und die gewagten, hinten gerafften Röcke, die den Saum einige Zentimeter vom Boden hoben. Und erst die Stoffe! Blaue Seide und zimtfarbener Satin mit schwarzem oder goldenem Samt gefaßt und zur Betonung von Hals und Händen mit weißer Spitze besetzt. Ihr platinblondes Haar und die blauen Augen konnten nicht vollkommener dazu harmonieren. Mode gehörte zu Paulines Leidenschaften. Wenn sie sich nach der neuesten kleidete, half ihr das, zu vergessen, daß sie nicht in London war, sondern in einer Kolonialprovinz, die zu Ehren der englischen Königin den Namen Victoria trug.
    Pauline gehörte zu Victorias feiner ländlicher Gesellschaft. Sie war auf einer der ältesten und größten Schaffarmen der Kolonie geboren und aufgewachsen. Sie kannte in ihrem Leben nur Luxus. Ihr Vater nannte sie ›meine Prinzessin‹, und sein Sohn Frank mußte ihm versprechen, daß er seiner Schwester auch nach dem Tod des alten Downs ein Leben in Reichtum und Sorglosigkeit ermöglichen werde. Jetzt lebte sie, umsorgt von vielen Dienstboten, mit ihrem Bruder Frank in dem zweistöckigen Herrenhaus der fünfundzwanzigtausend Morgen Land umfassenden Farm im westlichen Distrikt. Paulines Leben kreiste um Fuchsjagden und Wochenendgesellschaften, um festliche Bälle und gesellschaftliche Ereignisse und unterschied sich darin wenig vom Leben des reichen Landadels in England. Frank und seine Schwester gaben in dieser Schicht den Ton an und setzten die Maßstäbe, an denen die anderen sich orientierten. Pauline vertrat den Standpunkt, auch wenn man in einer Kolonie lebe – oder vielleicht gerade deshalb! –, dürfe man unter keinen Umständen ›verwildern‹.
    Nur in einem Punkt folgte Pauline nicht der Mode ihrer Zeit: Sie war mit vierundzwanzig noch nicht verheiratet.
    Natürlich hatten sich ihr immer wieder Gelegenheiten zur Ehe geboten. Viele Verehrer hatten sich große Hoffnungen gemacht. Aber meist waren es rauhe Männer, die es im Busch zu Reichtum gebracht hatten und in das Viehzuchtgebiet gekommen waren, um in ihren prächtigen Häusern die großen Herren zu spielen. Das viele Geld hatten ihnen die Schafe eingebracht oder Goldfunde, und einige waren sogar reicher als ihr Bruder. Aber Pauline fand, daß diese Männer keine Manieren und keine Erziehung besaßen. Sie spielten, tranken aus der Flasche und benahmen sich unerträglich vulgär. Sie hatten keine Achtung vor Rang und Namen. Noch schlimmer war, ihnen fehlte der Ehrgeiz, ihr Benehmen zu ändern, denn sie sahen keinen Grund dazu. Hugh Westbrook war anders. Auch er kam aus dem Busch. Er hatte sich als Goldgräber ein kleines Vermögen erworben und gehörte zu den Viehzüchtern, die mit ihren Leuten zur Arbeit hinausritten und selbst die Pfähle für die Zäune in den Boden schlugen. Aber in vieler Hinsicht unterschied er sich von den Männern, die sie kannte. Etwas in Hughs Wesen hatte Pauline schon bei der ersten Begegnung fasziniert. Das war bereits vor zehn Jahren gewesen, als er Merinda kaufte. Damals war Pauline erst vierzehn und Hugh zwanzig.
    Sie hatte sich nicht wegen seines guten Aussehens in ihn verliebt. Sie glaubte, daß er mehr besaß als nur Muskeln und ein anziehendes Lächeln. Vor allem war er ehrlich, und das konnte man von den wenigsten Männern im Busch sagen. Außerdem spürte sie in ihm eine besondere Kraft – eine stille Kraft –, die nicht von der Art war, wie sie im prahlerischen und großtuerischen Gehabe der anderen Männer zum Ausdruck kam, die miteinander konkurrierten. Pauline fand, Hugh strahle eine tief wurzelnde, verläßliche und unerschütterliche Kraft aus. Deshalb sah sie weniger den Mann von heute in ihm, sondern den Mann, der er in der Zukunft sein würde.
    Als Hugh Merinda gekauft hatte, gab es dort nur eine Rindenhütte und ein paar kranke Schafe. Mit seinen beiden Händen und einem starken Willen war Hugh allein darangegangen, Merinda in mühsamer Arbeit zu einer Farm zu machen, auf die er jetzt stolz sein konnte. Damals hatte Paulines Bruder Frank geglaubt, der junge Queensländer würde Merinda wieder verkaufen, noch bevor das erste Jahr um war. Aber Hugh bewies Frank und allen anderen Viehzüchtern, daß sie sich in ihm getäuscht hatten. Und jetzt, nach zehn Jahren, bestand kein Zweifel daran, daß Hugh Westbrook noch viel mehr erreichen würde.
    Wir werden beide zusammen noch mehr erreichen, mein Liebster, dachte Pauline. Wenn andere Hugh sahen, fielen ihnen vielleicht nur die schwieligen
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