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Traummoerder

Titel: Traummoerder
Autoren: Shane Briant
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hinten. Er hat sich nur einmal kurz zu mir umgedreht, dann verschwand er um die Ecke.«
    »Wie sah er aus?«
    »Ende sechzig, schätze ich. Vielleicht älter. Er trug einen dieser langen Cowboy-Mäntel, die bis zu den Knien reichen. Orangerote Haare.«
    »Scheiße. Das ist derselbe komische Kauz.«
    »Der mit dem Manuskript?«
    »Ja. Hast du sein Gesicht gesehen?«
    »Flüchtig. Griesgrämig und verwittert. Wahrscheinlich ein Obdachloser. Er hatte den Bart von etwa einer Woche. Rötlich, genau wie sein scheußliches Haar.«
    »Komm mal kurz mit.« Dermot ging in sein Arbeitszimmer und holte das Manuskript aus dem Papierkorb. Dann nahm er ihr den Flyer aus der Hand und verglich die Schrift mit der auf der Titelseite des Manuskripts. »Schau – es ist dieselbe Schrift«, sagte er und zeigte ihr beides. »Ich sage dir, wenn ich diesen Spinner noch einmal in der Nähe dieses Hauses erwische, ramme ich ihm sein verfluchtes Manuskript in den Arsch. »Sie schlägt für dich.‹ Guter Gott, was hat es mit dem Kerl auf sich?«
    »Hältst du ihn für gefährlich? Sollten wir Mike anrufen?« Detective Mike Kandinski war Dermots Kontaktmann zur North Hollywood Division Police. Seit Jahren waren sie locker befreundet, und Mike half Dermot bei den Recherchen, wenn es um Polizeiarbeit oder rechtliche Fragen für seine Romane ging »Glaubst du, ich übertreibe?«, fauchte er Neela an.
    Sie entschied, nicht darauf einzugehen. »Na ja, vielleicht ist die Antwort in dem Manuskript zu finden.«
    »Meinst du nicht, dass ich Besseres zu tun habe, als das Machwerk irgendeines verrückten Typen zu lesen?«
    »Im Moment? Vielleicht nicht.« Kaum hatte sie die Worte ausgesprochen, bereute sie sie zutiefst. »Entschuldige, Liebling. Ich hab’s nicht so gemeint.«
    »O doch, ganz bestimmt.«
    Das Telefon läutete, und Dermot erstarrte. »Wenn das Esther ist – ich bin beim Joggen.«
    Neela seufzte. »Du kannst ihr nicht bis in alle Ewigkeiten aus dem Weg gehen. Du musst mit ihr reden. Alles erklären. Ihr offen sagen, wie die Dinge stehen. Du bist kein Automat, der alle zwei Jahre einen Roman ausspucken kann. Zu seiner Zeit war Dostojewski ein Schnellschreiber, und er hat im Schnitt alle drei Jahre ein Buch geschafft.«
    Sie nahm den Hörer ab. »Hi, Esther. Leider hat er gerade das Haus verlassen, um in den Park zu gehen. Joggen. Ich sage ihm, dass er zurückrufen soll, wenn er wieder da ist. Alles Gute. Tschüs.«
    Sie legte den Hörer weg, und Dermot umarmte sie.
    »Danke. Du darfst das Vertrauen nicht verlieren, Neela. Alles wird gut. Bald werden wir wieder das gute Leben genießen, und dann bekommen wir die Babys, die du dir wünschst. Du musst an mich glauben. Das ist alles.«
    »Ich habe niemals an dir gezweifelt, Liebling. Nicht vor dem Booker Prize und nicht danach.«
    Neela sah zu, wie Dermot das Manuskript zum zweiten Mal in den Papierkorb warf. »Darf ich mir das mal anschauen, ehe du es den Müllmännern überlässt?«
    »Es ist brutal, nihilistisch und sadistisch – das ist mein Eindruck nach den ersten drei Seiten. Aber bitte, überzeug dich selbst. Ich ziehe einen Spaziergang vor. Vielleicht inspiriert mich die frische Luft. Ausflüge in die Tundra haben bei Tolstoi gewirkt.«
    »Ist er nicht an Lungenentzündung gestorben?«
    »Der springende Punkt ist, dass er vor seinem Tod sehr produktiv war. Außerdem lebte er in Russland, um Himmels willen. Er ist bei minus dreißig Grad ohne Thermoklamotten durch die Gegend gestapft. Irgendwann musste ihn die Kälte ja umbringen.«
    Neela nahm das Manuskript aus dem Papierkorb und ging damit in die Küche.

Kapitel 4
    Lucy Cowley lief auf dem Laufband. Sie hatte gerade eine Siebzehn-Stunden-Schicht hinter sich gebracht und war müde, jedoch fest entschlossen, sich ihren Plan, fünfzehn Pfund abzunehmen, nicht durch die Überstunden über den Haufen werfen zu lassen. Ihre Arbeitszeiten ließen ihr kaum Zeit, darüber nachzudenken, was sie abends essen wollte, und erst recht hatte sie kaum Gelegenheit, einen Kinobesuch mit einem Mann ins Auge zu fassen. Andererseits wusste sie, dass es nicht allzu schwierig sein würde, einen Partner zu finden – sie war vierundzwanzig und eins fünfundsiebzig groß, hatte eine schöne Haut, große haselnussbraune Augen und ein freundliches Lächeln. Sobald sie diese fünfzehn Pfund losgeworden war, hatte sie auch noch eine verdammt gute Figur.
    Als sie den Conditioner aus dem langen braunen Haar spülte, hörte sie die Türglocke.
    »Scheiße.«
    Lucy
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