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Traummoerder

Titel: Traummoerder
Autoren: Shane Briant
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explodiert gleich!«, kreischte Miriam.
    Der Traumheiler sah die Tränen, die ihr übers Gesicht liefen. Ihr Körper zuckte wild, die Füße schlugen gegen die Wand. Immer noch krallte sie die Nägel in die Hautfetzen und Knorpelstücke, die von ihren Ohren übrig waren. Das zerkratzte Fleisch sah aus wie frisch durchgelassenes Hackfleisch auf einem Metzgertablett. Gelbliche Flüssigkeit tropfte aus beiden Ohren, spritzte auf ihre Bluse und bildete zwischen ihren Beinen eine Pfütze auf dem Holzboden. Für einen Moment wurde sie ruhig, als wäre sie in einer Art Trance gefangen und ihr unzusammenhängendes Stammeln ein monotones buddhistisches Mantra.
    Der Heiler lächelte.
    »Ich höre, wie es mein Gehirn zermalmt!«, schrie sie mit schriller Stimme.
    »Selbstverständlich kannst du das hören«, flötete der Traumheiler und raschelte vehement mit dem Papier. Er schloss kurz die Augen, um die grauenvollen Bilder von den Insektenkauwerkzeugen, die sich durch pulsierende Hirnmasse fraßen, heraufzubeschwören.
    Miriams Augen nahmen einen irrsinnigen Glanz an, als ihre Glieder vorübergehend erschlafften. Speichel triefte aus ihrem Mundwinkel. Nach wenigen Sekunden begannen die Krämpfe von neuem. »Machen Sie, dass es aufhört!«, murmelte sie. »Bitte! Es soll aufhören!« Ihre Beine zuckten in alle Richtungen, als hätte man sie mit einem Schocker elektrisiert.
    »Vielleicht solltest du das Insekt ein für alle Mal verjagen, bevor es vollends Besitz von deinem Verstand ergreift«, empfahl er.
    Das Mädchen schien zu verstehen, was er meinte, und schmetterte die rechte Seite ihres Kopfes gegen die Wand. Als ihre Schläfe zum fünften Mal auftraf, zerbarst der Schädel. Blut und Gewebe spritzten an die Wand und auf das Bett über ihr.
    »Lass nicht zu, dass es dich überwältigt, Miriam!«, drängte der Traumheiler. »Bekämpf das Ungeheuer!«
    »Mein Schädel explodiert!«
    »Lass ihn explodieren! Sieh zu, dass das Feuer den Dämon verschlingt«, befahl der Traumheiler schroff.
    Es herrschte Stille, als sich Miriams Körper endlich nicht mehr regte. Ihre Lippen teilten sich zu einem winzigen Spalt, und sie flüsterte: »An dieser Stelle … wache ich immerauf …«
    »Natürlich, meine Liebe. Aber nicht dieses Mal«, erwiderte der Heiler mit einem leisen Lachen.

Kapitel 1
    Der Autor Dermot Nolan, Ire von Geburt und gut aussehend, besaß alles, was man sich nur wünschen konnte. Als britischer Staatsbürger hatte er vor zwei Jahren den Booker Prize und im Vorjahr den Flannery O’Connor Award für Kurzgeschichten gewonnen. Sein jüngstes Werk, Incoming Tide, stand auf der Bestsellerliste der New York Times, und eine Verfilmung des Stoffes wurde ins Auge gefasst; aus diesem Grund war sein Bankkonto bis vor kurzem so gut bestückt gewesen, dass er sich wegen der laufenden Lebenskosten keine Sorgen zu machen brauchte. Nolan war der Liebling und die Melkkuh seiner temperamentvollen jüdischen Literaturagentin Esther Bloom. Neela, seine Ehefrau, die er abgöttisch liebte, war hochintelligent und schön. Ihre zarte Gestalt erinnerte an Audrey Hepburn.
    Fast zwei Jahre lang hatten die Nolans genügend Geld gehabt, um sich alles zu kaufen, was ihr Herz begehrte. Sogar eine kleine Yacht wäre möglich gewesen. Allerdings hatten weder Dermot noch Neela Interesse an solchem Luxus. Sie lebten in einem geräumigen umgebauten Lagerhaus in Los Angeles, teilten ihre Wohnung mit einer fetten marmeladefarbenen Katze namens Cheesecake und besaßen nur ein Auto – einen praktischen, aber unspektakulären Peugeot 207 mit getönten Scheiben.
    Man hätte also annehmen können, dass Dermot ein glücklicher Mann war. Doch das war er nicht. Vielmehr war sein Leben von Verzweiflung überschattet. Seit einem geschlagenen Jahr hatte er kein einziges Kapitel mehr zu Papier gebracht; genauso lange belog er seine Agentin und behauptete, der Text »sprudele« nur so aus ihm heraus. In Wahrheit waren seine Gedanken zäh wie Sirup, und er hatte Angst, weil er eine Million Dollar Vorschuss von seinem Verleger Dan Wasserman bekommen und beinahe das ganze Geld bereits ausgegeben hatte.
    Esther unterstützte ihn unermüdlich und wartete geduldig darauf, dass ihr Lieblingsschützling sein neues »Meisterwerk« präsentierte – Booker-Prize-Gewinner setzte man nicht unter Zeitdruck, man verhätschelte sie. Für Dan Wasserman, den Boss von Gunning and Froggett, hingegen war Zeit Geld. Dans Verlag hatte ein Vermögen mit Dermots Incoming Tide gemacht, doch
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