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Traumjäger (German Edition)

Traumjäger (German Edition)

Titel: Traumjäger (German Edition)
Autoren: Ulrike Talbiersky
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Wände schienen mich zu erdrücken. Keinen klaren Gedanken konnte ich hier mehr fassen. Und klare Gedanken brauchte ich nun mehr als alles andere.

    Die Luft war frisch und erquickend. Der leichte Wind pustete meinen Kopf wieder frei. Das war genau das, was ich jetzt wollte. Nach einer Weile fühlte ich, wie ich lockerer wurde. Entspannter. Mein Weg führte mich zum Stadtpark. Vielleicht, weil ich jetzt dringend etwas Vertrautes brauchte. Vielleicht nur ein kurzes Nicken.
    Auf dem Weg hatte sich der Regen in vielen kleinen Pfützen gesammelt. Die Wiesen waren nass. Aber ich hatte trotzdem Glück. Da saß der alte Mann, also Tom, aber damals wusste ich ja noch nicht, dass es Tom war. Er saß auf einer großen Plastiktüte, die er auf die feuchte Parkbank gelegt hatte, um nicht nass zu werden. Er schien ganz in seine Zeitung vertieft zu sein. Hatte er mich überhaupt kommen sehen? Vorsichtshalber trat ich in eine Pfütze, so dass das Wasser laut spritzte. Es wirkte. Der alte Mann knickte den oberen Teil der Zeitung um, sodass er über sie hinweg sehen konnte. Ich versuchte, nicht zu erwartungsvoll dreinzuschauen. Schließlich war es Samstag, und samstags hatte er mich hier noch nie gesehen. Vielleicht nickte er samstags überhaupt nicht!
    Sein Blick war freundlich wie immer. Das tat gut! Doch dann merkte ich, dass noch etwas anderes in seinen hellen Augen lag. Es war eine Mischung aus stillem Interesse und heimlicher Neugier. Ja, seine Augen prüften mich, durchleuchteten mich, blickten tief in mich hinein. Doch bevor ich mich unwohl dabei fühlen konnte, nickte er mir kurz zu und verschwand wieder hinter der Zeitung.

Kapitel 5

    Der Schatten

    I n dieser Nacht träumte ich wieder. Und ich hatte Glück: Ich befand mich in demselben riesigen, leeren Saal mit den hohen, verzierten Marmorsäulen wie in der Nacht zuvor. Damals dachte ich zumindest noch, dass es Glück war. Wie oft träumte man schließlich schon zweimal denselben Traum? Dass dieser Zufall eigentlich keiner war und mit Glück genauso wenig zu tun hatte, das wusste ich damals noch nicht. Hätte ich es gewusst, ich hätte nie an diesen Ort zurückkehren wollen. Denn sie – sie waren hier. Und glaubt mir, ich wünschte, ich wäre ihnen nicht begegnet.   Aber das bin ich! Vielleicht musste es ja so geschehen. Denn wäre es nicht so weit gekommen, dann würde ich heute vielleicht eine ganz andere Geschichte erzählen, oder auch gar keine. Zumindest wäre ich jetzt kein Held. Aber dazu kommen wir noch.
    Nun war ich aber wieder in dem Saal. Und wieder starrten mich die gemalten Damen und Herren uralter, namhafter Häuser aus vorwurfsvollen Augen an. Ich atmete tief durch. Ich war mir diesmal schließlich bewusst, dass es in diesem Saal nicht mit rechten Dingen zuging. Als ich genügend Mut gesammelt hatte, schritt ich die lange Galerie entlang, bis ich vor dem gleichen Bild stand, das auf so unheimliche Weise bereits meine Aufmerksamkeit erregt hatte. Unverändert, geradezu unschuldig stand das kleine Häuschen da, umrahmt von dem wunderbaren Rosengarten, in dessen Mitte der prächtige, alte Baum stand. Ich stand jetzt ganz dicht vor dem Bild, fast drückte meine Nase gegen das Papier. Nichts! Nichts regte sich. Es blieb still und stumm. Die Gardinen waren in der wehenden Bewegung eines nicht zu spürenden Windes erstarrt. Kein Licht brannte hinter den Fenstern. Kein Schatten zeigte sich. Erleichtert, aber auch ein wenig enttäuscht, setzte ich mich mit ein wenig Abstand zu dem merkwürdigen Bild auf den staubigen Boden. Mit banger Hoffnung glaubte ich, dass vielleicht doch noch etwas passieren würde.
    Ein paar Minuten vergingen, während ich still ausharrte. Aber das Warten blieb erfolglos. Schließlich überlegte ich, dass es doch besser wäre, den Ort allmählich zu verlassen. Ich stand auf und suchte die alten Steinwände nach einer Tür ab. Irgendwo musste dieser Saal schließlich einen Ausgang haben. Zweimal lief ich den gesamten Raum ab. Es gab aber keine Tür. Jetzt wurde es wieder unheimlich. Ich rannte zu den Fenstern. Vielleicht konnte man sie ja öffnen! Nein, sie waren fest verriegelt. Verzweifelt rüttelte ich an den alten Griffen – ich wollte hier raus! Sie ließen sich nicht bewegen. Als hätte eine unsichtbare Kraft sie zur Erstarrung verurteilt. Schlagartig wurde es mir bewusst: Ich war in diesem Raum gefangen!
    Dann wurde es dunkel. Es war eben diese seltsame, unnatürliche Dunkelheit, die ich in der Nacht zuvor erlebt hatte, und auf die
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