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Traumjäger (German Edition)

Traumjäger (German Edition)

Titel: Traumjäger (German Edition)
Autoren: Ulrike Talbiersky
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Gehen. Als ich mich noch einmal nach Tom umdrehte, verschwand er gerade in den schrägen Strahlen der Abendsonne.
    „Irgendwie kam mir der Mann bekannt vor.“, murmelte meine Mutter. Ich unterdrückte ein Lächeln. Ja, auch sie ging manchmal durch den Stadtpark…

    ***

    Die Ferien waren vorbei. Das frühe Aufstehen am ersten Schultag fiel mir schwer. Von mir aus hätten die Ferien ewig dauern können.
    Nach einem kurzen Frühstück griff ich nach meiner Schultasche und verließ das Haus. Mein Schulweg führte mich auch diesmal wieder durch den kleinen Park. Ich muss gestehen, ich lief nicht ohne Spannung. Ich freute mich darauf, Tom wieder zu sehen. Schließlich hatte ich ihn seit unserem Abenteuer nicht mehr gesehen.
    Doch die Bank war leer.
    Kein Tom saß darauf und beobachtete die Hunde, wie sie über die grünen Wiesen tollten.
    Kein Tom saß da und lauschte dem fröhlichen Morgengezwitscher der Vögel.
    Kein Tom, der auf mich wartete, um mir zuzunicken. Etwas enttäuscht ging ich weiter.

    Es war einer jener warmen Herbsttage, an denen man ohne Jacke draußen herumlaufen kann. Die grauen Wolken jagten die weißen auf dem klaren Blau des Himmels. Ich erreichte die Schule vor dem Unterrichtsbeginn. Auf dem Schulhof spielten meine Mitschüler. Sie lachten, rannten herum oder tauschten ihre Ferienerlebnisse aus. Ich gesellte mich wie üblich nicht zu ihnen. Ich wusste auch so, dass niemand von ihnen so spannende Ferien gehabt hatte wie ich. Und meine Erlebnisse erzählen, das konnte und wollte ich nicht.
    Die Bäume schüttelten ihr buntes Laub von den Ästen. Sanft ließ der Wind die prachtvollen Blätter zu Boden gleiten.
    Ich öffnete die große Schultür und ging den leeren Gang hinunter zu meinem Klassenzimmer. Nach dem Schellen füllte sich der Raum. Carsten Selmholz setzte sich wie immer auf den Platz direkt vor mir, und ich verschwand hinter seinen breiten Schultern.
    Zuletzt betrat Frau Schönlein, meine Geschichtslehrerin, das Klassenzimmer und schloss die Tür hinter sich. Sie hatte über die Ferien vergessen, mich den Platz mit Carsten tauschen zu lassen, und ich zog es vor, sie nicht daran zu erinnern.
    Alles war wie früher. Nichts hatte sich geändert. Gar nichts. Und doch:
    Lächelnd blickte ich auf das kleine Bild in meinem Geschichtsbuch. Das kleine Bild, mit dem alles angefangen hatte. Das Bild, das das Kolosseum zeigte.
    Diesmal konnte es mich nicht mehr locken.
    Ich betrachtete meine Klassenkameraden, die mich noch immer übersahen. Doch das störte mich nicht. Manche von ihnen blickten gelangweilt aus dem Fenster und träumten vor sich hin. Dann freute ich mich und dachte: Träumt nur weiter, dank mir könnt ihr es!

    Auch am nächsten Tag saß Tom nicht auf der Parkbank. Und auch nicht am Tag darauf, oder am folgenden. Er rief mich nicht zu sich und schickte mir keine Nachricht. Das machte mich sehr traurig. Ich vermisste ihn.
    Eines Nachts träumte ich mich in sein Zimmer. Doch ich fand es leer vor. Die weichen Stühle aus dunkelblauem Samt waren nicht mehr da, ebenso der große Schreibtisch mit den vielen geheimnisvollen Schubladen und Toms Souvenirs aus seinen erlebten Träumen. Auch der Schrank mit den wertvollen Büchern stand nicht mehr an der Wand. Ich tastete die Stelle ab, wo er einst die Tür zum Uhrenzimmer verborgen hatte, doch auch sie war nicht mehr da! Es war nicht mehr Toms Zimmer!
    Enttäuscht ließ ich mich auf den Boden sinken und ließ die einsame Stille des Raumes auf mich wirken. Vielleicht würde Tom ja doch noch einmal vorbeischauen?
    Ich wartete, doch er kam nicht, und ich wusste nicht, wo ich ihn suchen sollte. So träumte ich mich wieder zurück in mein Zimmer.

    Zwei Wochen waren vergangen seit Tom und ich Sorgul, den Herrscher der Dunkelheit, und sein Land ohne Träume vernichtet hatten. Zwei Wochen, in denen ich nichts mehr von Tom gesehen oder gehört hatte.
    Jeden Tag lief ich durch den Park zur Schule. Ich hatte es aufgegeben, zu der kleinen Parkbank zu blicken. Sie war eh leer. Jedes Mal.
    Umso überraschter war ich, als ich an diesem Morgen einen alten Mann mit weißem Haar auf der Bank sitzen sah. Er hatte eine Zeitung aufgeschlagen und las interessiert die Nachrichten. Mein Herz machte einen Sprung.
    Hatte er mich überhaupt gehört? Um ganz sicher zu gehen, räusperte ich mich ein paar Mal. Es wirkte. Der alte Mann knickte den oberen Teil der Zeitung um, sodass er über sie hinweg sehen konnte. Dann lächelte er und nickte mir zu. Er faltete die
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