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Traumjäger (German Edition)

Traumjäger (German Edition)

Titel: Traumjäger (German Edition)
Autoren: Ulrike Talbiersky
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Genauso wie dieser es zuvor bei ihm getan hatte. Der dunkle Herrscher schnaubte vor Wut, doch er konnte nichts mehr ausrichten. Sein Spiel war vorbei, und er hatte es verloren. Nun musste auch er es sich eingestehen.
    Die Lichttropfen prasselten unerbittlich auf ihn herab, brannten tiefe Löcher in seinen Umhang und lösten die Dunkelheit – ihn – auf. Tom blickte Sorgul ein letztes Mal an.
    „Sie ist das Herzstück der Träume!“, sagte er leise. „Aber du hast nie verstanden, was ein Herz ist. Und du hast nie begriffen, worum es beim Träumen geht.“ Mitleid klang aus seiner Stimme. Dann steckte er die Uhr in seine Tasche und ließ den dunklen Herrscher allein.
    Langsam sank Sorgul hinter den Marmortisch und verschwand aus meinem Blickfeld. Nur der schwarze zerfetzte Umhang schaute noch hervor. Dann löste auch er sich auf. Es war vorbei. Sorgul, den grausamen Herrscher der Dunkelheit, gab es nicht mehr!
    Ich rannte auf Tom zu. Er nahm mich fest in die Arme. Lange standen wir einfach nur so da. Niemand bewachte uns mehr. Der Lichtregen, der unerträglich für die Knechte Sorguls war, hatte sie alles vergessen lassen. Ja, sogar sich selbst.
    Ich blickte auf die Menge auf dem Burgplatz, die einst aus finsteren Traumlosen bestanden hatte. Nun lagen hier Männer, Frauen und Kinder mit blonden, braunen, roten Haaren. Der Regen hatte sie rein gewaschen. Sie lagen still auf dem Boden.
    Nur einige letzte schwarzbekleidete Traumlose lösten sich ganz im Lichtregen auf, so wie Sorgul.
    „Was passiert mit ihnen, wieso lösen sich manche auf?“, wisperte ich Tom verdutzt zu. Bevor Tom antwortete, setzte er sich auf eine der Treppenstufen. Ich ließ mich neben ihm nieder.
    „Die, die sich auflösen, Andy, waren ihr ganzes Leben lang nur Traumlose. Arme Geschöpfe der Finsternis. Sie hatten nie Träume. Sie finden keinen Platz in der Welt des Lichts. Aber sie“, mit einem Lächeln wies er auf die Menschen, die reglos auf dem Boden lagen, „sie hatten einmal Träume. Bevor Sorgul sie zu seinen Knechten, den Traumlosen, gemacht hatte. – Und dank dir, Andy, mein kleiner Traumjäger, dank dir werden sie wieder welche haben!“
    Er strahlte mich an. „Dann sind sie also nicht…?“ Tom schüttelte heftig den Kopf. „Nein, nein! Sie schlafen nur. Lassen wir sie träumen... Sie haben viel nachzuholen!“
    Er beugte sich zu der Frau, die neben ihm auf der Treppe lag. Zärtlich strich er ihr das weiße Haar aus dem runden Gesicht. Kaum zu glauben, dass es einmal schwarz gewesen war!
    „Was passiert, wenn sie aufwachen?“, fragte ich. „Werden sie sich an das alles erinnern?“
    Tom wiegte den Kopf hin und her. „Ich denke nicht.“, sagte er langsam. „Sie werden glauben, es war nur ein Traum. Sie werden da aufwachen, wo sie zu Hause sind, weißt du!“ „Und deine Frau?“, ich wies auf die fest schlafende Person neben Tom, „Was ist mit ihr?“
    Tom nahm Dorotheas Hand in die seine und drückte sie sanft an seine Brust. „Sie ist zu Hause.“
    Schweigend blickten wir auf den Burghof und auf die schlafenden Personen, die einmal die Knechte eines Herrschers der Dunkelheit gewesen waren. Nach und nach verschwanden sie ganz einfach. Vermutlich waren sie irgendwo in der Welt, in unserer Welt, in der es Licht und Träume gab, aufgewacht.
    Noch immer fiel sanfter Regen vom hell erleuchteten Himmel.
    Ich sah, wie die Lichttropfen in der Ferne auf den schwarzen See fielen und die schwarze Farbe wegwuschen; ich sah, wie sich der zähe, dunkle Teer in frisches, blaues Wasser verwandelte, bis nichts mehr an ihn erinnerte.
    Dann hörte der Regen auf. Die Sonne schien warm von einem nahtlos blauen Himmel. Sie schickte ihre langen Strahlen auf den friedlich daliegenden See, auf die verlassene Burg, auf die schlafenden Menschen, auf Tom und mich. Irgendwo zwitscherte ein Vogel. Lange hatte dieser Ort diese Töne nicht mehr gehört.
    „Bin ich jetzt ein Held, Tom?“, flüsterte ich.
    „Ja, Andy, jetzt bist du ein wahrer Held.“, lächelte Tom.
    „Aber niemand wird je davon erfahren, oder?“, fragte ich nachdenklich.
    „Nein, Andy, niemand wird je davon erfahren.“ Er blickte mir direkt in die Augen. „So ist das nun einmal mit den großen Heldentaten. Sie geschehen meistens im Verborgenen. Aber darin besteht auch der besondere Reiz des Heldentums: Jeder der dir begegnet kann schließlich ein Held sein! Oder einer werden. Man kann nie wissen… Aber wir beide, du und ich, wir wissen, dass du ein Held bist. Du hast der
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