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Traumfrau mit Fangzähnen

Traumfrau mit Fangzähnen

Titel: Traumfrau mit Fangzähnen
Autoren: Savannah Russe
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gekommen ist und ich auf die Probe gestellt werde, hoffe ich, dass ich nicht versage und mein Land nicht im Stich lassen werde.
    Ich weiß, das alles klingt sehr vage. Es gibt eine Menge, worüber ich nicht schreiben darf, was ich dir aber gern persönlich erklären würde. Man hat mir versichert, dass ich dir absolut vertrauen kann. Wer mir dies zugeflüstert hat? Sagen wir, es war ein kleines Vögelchen. Und doch sagt mir mein Instinkt dasselbe.
    Können wir uns so schnell wie möglich treffen? Ich könnte es nicht ertragen, wenn du in mir weiterhin jemanden siehst, der ich nicht bin. Ich hätte dich bei dem Empfang niemals allein gelassen, wenn es nicht einen wirklich wichtigen Grund dafür gegeben hätte. Ich habe es ernst gemeint, als ich sagte, ich wäre gern dein Ritter in glänzender Rüstung. Aber vor allem hoffe ich, ein treuer und aufrichtiger Freund zu sein.
    Mit lieben Grüßen,
    St. Julien Fitzmaurice
     
    Die Nachricht ließ mich beinahe in Tränen ausbrechen. Er hatte mit großem Mut seinem eigenen Tod entgegengesehen, und er hatte mich nicht im Stich gelassen. Er war durch und durch ein guter Mann, kein egoistischer Mistkerl mit Dutzenden von emotionalen Problemen. Und er hatte mir eine Tür geöffnet, durch die ich nur zu gehen brauchte – wenn ich wollte.
    Und was ist meine normale Vorgehensweise, wenn ich emotional in Aufruhr bin? Ich ziehe neue Klamotten an und sehe so umwerfend aus, wie es mir möglich ist. An diesem Abend entschied ich mich für ein ziemlich flippiges Outfit aus dem Onlineshop Anthropologie. Modekataloge und Onlineshopping sind für mich ein Geschenk des Himmels. Schließlich bin ich eine Frau, die zwar gern einkauft, es aber nur nach Einbruch der Dunkelheit tun kann. Ich zog ein Mieder aus karamellfarbener Seide und einen wildromantischen, blaugrünen Samtschal an. Dazu trug ich eine schokoladenbraune, gesäumte Cordhose und Halbschuhe von Oxford, die beinahe so bequem waren wie Turnschuhe. Zum Überziehen wählte ich einen vanillefarbenen halblangen Samtmantel, auf dem meine Haare wirkten wie dunkles Bergwasser, das schimmernd über die Felsen rinnt. Ich streifte meinen Lieblingsring über, den Ring, den Bennys Freund Louis vor einigen Monaten gestohlen hatte. Es ist ein Goldring aus der Renaissance, auf dem Pantherköpfe aus Pavé-Diamanten nachgebildet sind. Als ich mich vor dem Spiegel betrachtete, gefiel mir, was ich sah.
    Mein Selbstbewusstsein war aufgepolstert, und ein Glas Blut frischte nicht nur meine Kraft auf, sondern machte mich geradezu high. Ich fühlte mich deutlich besser und hatte auch kein schlechtes Gefühl mehr wegen Darius. Niemand ist perfekt, ermahnte ich mich, und auch ich war nicht makellos, weder in meinem Charakter noch in meinem Verhalten. Aber warum machte ich mir überhaupt Gedanken über Moral? Ich bin schließlich ein Vampir.
    Ich verließ die Wohnung und fuhr mit der U-Bahn zu der Besprechung mit J. Mein Herz schlug ein wenig zu schnell, und meine Hände zitterten leicht. Würde ich das Team heute verlassen? Ich konnte ein paar tiefe, reinigende Atemzüge vertragen, allerdings war es nicht sonderlich ratsam, diese in der abgestandenen, verbrauchten Luft des New Yorker U-Bahn-Systems zu tun.
    An der dreiundzwanzigsten Straße stieg ich aus und betrat das Flatiron-Gebäude. Im Konferenzzimmer saß das übrige Team bereits um den Besprechungstisch versammelt. Okay, ich war ein bisschen spät dran. Trotzdem überraschte es mich, dass ich die Letzte war.
    Benny zwinkerte mir zu und war gut gelaunt wie immer, und auch Cormac begrüßte mich mit einem Lächeln. Ein Lächeln von Cormac! Ich war vollkommen sprachlos. Er schien sich in letzter Zeit verändert zu haben, zum Besseren, wenn ich das so sagen darf. Bubba hingegen begrüßte mich nur mit einem Nicken und war ein wenig ruhiger als sonst. Seine Energie schien noch nicht vollständig wiederhergestellt zu sein, und seine Aura strahlte nur schwach. Vielleicht war er sehr viel ernsthafter verletzt worden, als er hatte zugeben wollen. Und dann gab es noch J. Steif, seriös und ohne jede Emotion begrüßte er mich mit einem schroffen Nicken und den abfälligen Worten: »Guten Abend, Agentin Urban. Wie schön, dass Sie sich auch endlich entschlossen haben, zu uns zu stoßen.«
    Ich hatte nicht vergessen, dass er Darius mit meiner Unterwäsche beworfen hatte. Falls ich das Team verlassen würde, war dies mit Sicherheit einer der Hauptgründe. Ich setzte mich mit sehr viel mehr Getöse als notwendig.
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