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Traumfrau mit Fangzähnen

Traumfrau mit Fangzähnen

Titel: Traumfrau mit Fangzähnen
Autoren: Savannah Russe
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betrogen. Soldaten wissen manchmal, wann ihre Zeit abgelaufen ist. Vor Beginn der Schlacht verabschieden sie sich von ihren Frauen und Kindern, denn sie wissen, dass sie nicht zurückkehren werden. Dabei haben sie keine Angst vor dem Tod. Sie bereiten sich nur darauf vor.«
    Ich wollte nicht hören, was Bubba als Nächstes sagen würde.
    »Und ich habe dieses Gefühl nun, meine Lieben. Vielleicht hätte ich auf diesem Dach sterben sollen, und ihr habt den Tod erneut um mich betrogen. Falls meine Zeit tatsächlich gekommen ist, falls ich in nächster Zeit getötet werde, möchte ich, dass ihr euch auf keinen Fall die Schuld dafür gebt. Ihr könnt es nicht aufhalten. Ich selbst kann es nicht aufhalten. Was geschehen wird, wird geschehen. So steht es geschrieben. Niemand vermag seinem Schicksal zu entfliehen. Ach, meine Lieben, seht mich nicht so traurig an. Ich habe in meinem langen Leben alles gehabt und wundervolle Dinge erlebt. Jetzt kommt, lasst uns irgendwo ein Bier trinken gehen!«, schloss er mit einem Funken der alten Energie in der Stimme.
    Benny und Cormac sahen furchtbar traurig aus, und auch ich fühlte mich schrecklich. Schweigend gingen wir die Straße entlang.
    »In welche Bar sollen wir gehen?«, fragte Benny schließlich.
    Bubba legte ihr den unverletzten Arm um die Schultern und zog sie an sich. »Jetzt lächle für mich, Kleines. Wir gehen einfach in die erstbeste Bar, die wir finden. Bier ist Bier. Wie wäre es mit der da drüben auf der anderen Straßenseite?«
    Wir nickten zustimmend und überquerten die Straße. Da näherte sich plötzlich ein schwarzer Lincoln mit hoher Geschwindigkeit. Ein Gewehrkolben schob sich aus dem Fenster, und auf einmal knallten Schüsse durch die Nacht. »Ich bin getroffen«, flüsterte Bubba und brach zusammen. Benny fiel neben ihm auf die Knie. Ich wandte mich um, bereit zum Kampf, doch der Lincoln war schon verschwunden.
    Ich blickte wieder zu Bubba. Eine Silberkugel aus der Waffe eines Vampirjägers musste sein Herz getroffen haben, denn er zerfiel langsam zu Staub. Benny weinte hysterisch. Ich zog sie hoch und weg von dem wenigen, was noch von dem altgedienten Soldaten übrig war. Sie vergrub ihr Gesicht in meinem Mantel. Während ich sie in den Armen hielt, sah ich hinauf zu dem Schild der Bar, in die wir hatten gehen wollen. Mit einem schmerzhaften Stich las ich die Aufschrift: YELLOW TAVERN, ESTABLISHED 1864.
    Cormac hob Bubbas Lederhut mit der Pfauenfeder auf und den grauen Mantel mit dem roten Liebesknoten am Revers. »Habt ihr etwas dagegen, wenn ich das behalte?«, fragte er. Seine Stimme war so angespannt, dass er kaum ein Wort herausbrachte.
    »Ich glaube, er hätte gewollt, dass du sie bekommst«, sagte ich, und auch meine Stimme brach. Plötzlich bemerkte ich noch etwas anderes in dem Staub. Ich ließ Benny los, ging in die Hocke und hob es auf. Es war ein Ring von West Point, und auf der Innenseite waren die Worte J.?E.?B. Stuart, 1854 eingraviert. Ich drückte ihn Benny in die Hand. »Nimm du ihn.«
    Sie schloss ihre Finger um den Ring und wischte sich dann über die Augen. Ihr Gesicht war tränenverschmiert. »Ich bin froh, dass ich diesen Mann gekannt habe«, sagte sie.
    Cormac trat zu uns und umarmte uns beide. »Wir haben vielleicht seinen Körper verloren«, sagte er, »aber sein Geist wird immer bei uns bleiben. Und wir haben einander. Wir müssen weiterkämpfen.«
    Mein Herz fühlte sich an wie ein Stein. Ich wusste, was ich zu tun und welche Entscheidung ich zu treffen hatte. Wenn Darius’ Flugzeug am Sonntagabend abhob, würde ich nicht mit an Bord sein. Es war die richtige Entscheidung. Wenn Darius mich liebte – mich wirklich liebte und mich nicht nur benutzte –, würde er zu mir zurückkehren, wenn seine Tour beendet war. Das war die Lösung, nach der ich gesucht hatte. Ich ging ein Risiko ein, würde aber am Ende die Wahrheit erfahren. Und dann gab es immer noch Fitz. Vielleicht war er der Neuanfang, den ich brauchte. Vielleicht schaffte er es, die Tür zu meiner Vergangenheit zu schließen. Doch das konnte nur die Zeit offenbaren.
    Der Wind war wieder kalt geworden und heulte über die Fifth Avenue wie ein hungriger Wolf. Er wirbelte Bubbas Staub auf und verwehte ihn so fein, dass nichts davon zurückblieb. Bubba war fort, als hätte er nie existiert.
    Aber ich existierte noch. Und ich wusste, wer ich war. Ich war ein Vampir – und ich war eine Spionin. Ich war ein Mitglied des Team Dark Wing, und dies war mein Schicksal.

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