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Traumfrau (German Edition)

Traumfrau (German Edition)

Titel: Traumfrau (German Edition)
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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ihm nicht. Er trank den lauwarmen Kaffee mit viel Milch und Zucker und beschloss dann, einen Spaziergang zu machen, um wieder fit zu werden.
    An der Ichte standen die Schafgarben mannshoch. Es wimmelte von Kohlweißlingen. Günther Ichtenhagen wusste, dass es dreitausend einheimische Schmetterlingsarten gab, und konnte mühelos dreißig verschiedene auf Anhieb bestimmen. Jahrelang hatte er im Lehrerzimmer seinen Stammplatz unter der großen Schmetterlingskarte gehabt. Ein Geschenk des letzten scheidenden Schuldirektors. Da, an der Schafgarbe, entdeckte er einen Schwalbenschwanz. Ein großes, fein gemustertes Tier, fast zu schön, um echt zu sein, mit tiefblau gezeichneten Hinterflügeln und einem roten Tupfer an den Ausläufern.
    Günther Ichtenhagen näherte sich vorsichtig. Der Schwalbenschwanz zitterte ein wenig, blieb aber sitzen. Günther Ichtenhagen konnte den Saugrüssel nicht erkennen. Hatten Schwalbenschwänze vielleicht gar keinen? Der Körper des schönen Tieres war völlig mit Blütenstaub bedeckt.
    Da – auch ein Zitronenfalterpärchen flatterte zwischen den Schafgarben.
    Günther Ichtenhagen vergaß seine Kopfschmerzen. Schmetterlinge hatten ihn schon immer fasziniert. Nicht wegen ihrer Schönheit und ihrer Farben, sondern wegen ihrer vollkommenen Metamorphose.
    Hier, an der Ichte, fühlte er sich wohl. Am Wegrand roch es nach Holunder, und weiter unten, zwischen den Brennnesseln, blühte wilde Kamille. Himbeeren, Brombeeren und Hopfen wucherten nebeneinander. Er bückte sich immer wieder, um reife Himbeeren zu pflücken. Er kaute sie nicht, sondern zerquetschte sie mir der Zunge am Gaumen, weil sich nur so das Aroma wirklich im ganzen Mund entfalten konnte.
    Noch bevor er die Schritte hörte, registrierte er den rasselnden Atem von Hans Wirbitzkis versteinerter Lunge. Hans Wirbitzki hatte die rechte Hand voller pechschwarzer Brombeeren und kaute sie so sorgfältig durch, als wollte er ihre chemischen Bestandteile überprüfen.
    So – mit langen Zähnen – aßen die Städter die Früchte des Waldes. Günther Ichtenhagen wusste, woher diese Art zu essen kam. Sie entsprang der tiefen Angst, man könne einen lebenden Wurm herunterschlucken. Wer seit seiner Kindheit vom Wegrand aß, scherte sich nicht darum. Aber viele Leute wie Hans Wirbitzki, die aus dem Ruhrpott kamen und gewöhnt waren, ihre Brombeeren in Dosen bei Aldi zu kaufen, die wurden diesen Blick nie los. Da konnten sie noch so lange auf dem Land leben.
    „Na, Hans, wartest du drauf, dass Hanne das Essen vom Herd nimmt?”
    Hans Wirbitzki lächelte säuerlich.
    „Ach die!”
    „Oh, hängt euer Haussegen schief?”
    „Hm.”
    „Passte ihr wohl nicht, dass wir ihr gestern Abend ein Schnippchen geschlagen haben und sie dich nicht mehr unter Kontrolle hatte, was?”
    „Vermutlich. Wir sollten das viel öfter tun. Bei dir zu Hause, da ist es viel ungezwungener als in der Kneipe, wo einen jeder hört und sieht.”
    „Vor allen Dingen deine Frau, was?”
    „Ist ‘ne blöde Situation, wenn einem die Alte den ganzen Abend auf die Finger guckt.”
    „Kannst ja in den Club gehen”, schlug Günther Ichtenhagen spaßeshalber vor, „da kellnert sie schließlich nicht.”
    „Würde mich schon manchmal reizen”, gab Hans Wirbitzki zu. „Wenn ich die Mädels da so ein- und ausgehen sehe ... da würde sie mich auch rein- und raus-gehen sehen.” Seltsam aggressiv fuhr er fort: „Hast du schon mal beobachtet, wie die spuren, wenn der Typ sie nur anguckt? Der braucht kein Wort zu sagen. Da, wo die herkommen, ist der Mann noch König. Zu Hause gehen die bestimmt drei Meter hinter ihrem Mann her und essen immer erst, wenn er satt ist. Ich hab mal so was im Fernsehen gesehen ...”
    „Hör auf, Hans”, sagte Günther Ichtenhagen.
    „Da steht kein Mann unterm Pantoffel. Von wegen, die Alte teilt ihm das Taschengeld zu! Darüber können die Männer da bloß lachen.”
    „Klingt ganz, als wolltest du auswandern.”
    „Wenn Hanne nicht wäre – lieber heute als morgen. Martin sagt, da kannst du mit drei- bis vierhundert Mark im Monat leben wie ein Fürst. Und für fünfundzwanzig, dreißig Mark kannst du dir schon eine Hausangestellte leisten.”
    „Willst du deine Möbel einschiffen?”
    „Wieso Möbel einschiffen? Wozu soll man sich eine Spülmaschine kaufen, wenn die Haushaltshilfe billiger ist als der Strom?”
    „Da hat dir Martin ganz schöne Flausen in den Kopf gesetzt, Hans.”
    „Ich würde mir das an deiner Stelle auch mal
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