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Traumfrau (German Edition)

Traumfrau (German Edition)

Titel: Traumfrau (German Edition)
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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sonntags nie zu mir. Ich treff ihn immer erst abends in der Linde.
    Mühsam wuchtete Günther Ichtenhagen sich hoch, schlurfte zur Tür, öffnete und schlappte gleich wieder zu seinem Sessel zurück, ohne Hermann Segler auch nur anzusehen.
    „Was ist denn mit dir los? Hast du noch einen Kater? Du siehst ja völlig fertig aus.”
    „Vielleicht”, stöhnte Günther Ichtenhagen, „habe ich mich ein bisschen übernommen. Beim Aufräumen ist mir schwindelig geworden.”
    „Du solltest dir besser eine Haushaltshilfe anschaffen. Da hat deine Tochter ganz Recht.” Er lächelte plötzlich eigenartig süffisant. So, als sei ein Stichwort gefallen, auf das er gelauert hatte.
    „Was guckt du so?”
    Hermann Segler setzte sich und legte seine roten Metzgerhände wie zum Gebet zusammen.
    „In deinem Alter, Günther, sollte man wirklich nicht mehr alleine sein. Und du hast es doch auch gar nicht nötig.”
    Will er mir irgendeine arbeitslose Verwandte als Haushaltshilfe aufschwatzen?, dachte Günther Ichtenhagen. Sein Sohn ist in München, eine Tochter hat er nicht, seine Frau hat gar keine Zeit mit ihrem Lebensmittelladen ...
    „Martin war heute bei mir. Wir haben einen Frühschoppen gemacht, in der Linde.”
    „Frühschoppen, soso.”
    „Und weißt du, was der mir vorgeschlagen hat?”
    „Nee.”
    „Wir sollen uns eine Frau kaufen, meint er.”
    Verständnislos sah Günther Ichtenhagen seinen Freund an. Träumte der immer noch vom gemeinsamen Bordellbesuch, wie gestern Abend? Gegen Ende der Nacht waren die Wünsche zusammengeschrumpft. Aus einer Flugreise nach Bangkok war schließlich ein gemeinsamer Ausflug nach Frankfurt in die Kaiserstraße geworden. Hermann Segler sah, dass Günther Ichtenhagen nichts begriff. Er breitete die Hände zu einer einladenden Geste aus, als ob er Günther Ichtenhagen umarmen wollte, und sagte dann ermunternd:
    „Ja, du hast richtig gehört. Er meint, wir sollten uns eine Frau kaufen. Von unserem Lottogewinn.”
    Statt sich diesen Unfug anzuhören, hätte Günther Ichtenhagen lieber noch eine halbe Stunde die Augen zugemacht, um sich für den Besuch seiner Enkeltochter auszuruhen. Da er nicht reagierte, war Hermann gezwungen weiterzureden.
    „Also, ich habe es auch erst für einen Witz gehalten. Aber je länger ich mir die Sache überlege – es hätte schon etwas für sich. Für eine gemeinsame Reise nach Bangkok reicht’s nicht. Höchstens für einen von uns. Und fürs gleiche Geld kann man schon eine Frau kaufen. Fesche Mädels, sag ich dir! Knackig und ...”
    Günther Ichtenhagen begriff, dass Hermann Segler es durchaus ernst meinte. Er atmete tief durch, beugte sich vor und blickte seinen Skatbruder an. Hermann Segler hielt dem Blick stand und fuhr fort:
    „Außerdem könntest du wirklich jemanden gebrauchen, der hier im Haushalt anpackt und darauf achtet, dass du dich nicht übernimmst. Ja, Günther, das sind gute Hausfrauen. Nicht irgendwelche Emanzen, die einem auf der Nase herumtanzen. Die sind noch richtig erzogen worden. Da zählen noch Tradition, Treue, Fleiß, Gehorsam! Und außerdem ...”
    „Du spinnst ja.”
    „... und außerdem würden wir damit ein gutes Werk tun.”

4
    Der Gugelhupf sah verlockend aus. Kati schnitt ihn sorgfältig an. Stefanie wippte auf dem Sofa hin und her und schnalzte mit der Zunge. „Ich hab den Teig umgerührt, stimmt’s Mami?”
    Kati nickte. „Ja, du hast mir brav geholfen.”
    „Dann wird er besonders lecker sein”, versicherte Günther Ichtenhagen.
    Zwischen den Kaffeetassen auf dem Tisch lag die Lokalzeitung. Der Anzeigenteil war aufgeschlagen. Neben entflogenen Kanarienvögeln, neu eröffneten Arztpraxen und einem Fernsehgeräte-Reparaturdienst „Kein Bild, kein Ton – ich komme schon”, das briefmarkengroße, blasse Foto einer jungen Frau.
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    Es war die biedere Lokalzeitung, die er seit mehr als dreißig Jahren abonniert hatte, wie jeder hier im Dorf. Doch seit dem Gespräch mit Hermann Segler, nachdem der diese Annonce zweimal laut vorgelesen hatte, kam Günther Ichtenhagen die Zeitung unanständig vor. Ja, unanständig war das richtige Wort dafür. Er schämte sich, dass sie so offen auf seinem Tisch lag. Verschämt zog es sie in seinen Sessel und versteckte sie unter seinen Beinen. Er ließ sie verschwinden wie ein verräterisches
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