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Traum ohne Wiederkehr

Traum ohne Wiederkehr

Titel: Traum ohne Wiederkehr
Autoren: André Norton
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tiefen Runzeln durchzogen.
    In den Sesseln links und rechts dieser Greisin saßen Frauen, und an sie anschließend Männer. Genau dem Baldachinsessel gegenüber, den Kreis schließend, befand sich ein zweiter hochlehniger Sessel, doch ohne Baldachin. Und davor stand ein Tisch mit Schalen in jeder Ecke, eine kremfarbig, die zweite blaßrosa, die dritte pastellblau und die vierte seegrün.
    Tamisans Informationsschatz verriet ihr, daß dies die Anordnung für die Magie eines Mundes war, was bedeutete, daß ihre Dienste als Seherin verlangt wurden. Wie war sie nur in diese Lage gekommen? Würde es ihr gelingen, diese illustre Gesellschaft zu täuschen?
    »Ich hungere, Mund Olavas. Ich hungere nicht nach leiblichen Genüssen, sondern nach jenen, die den Geist sättigen.« Die Greisin beugte sich ein wenig vor. Ihre Stimme war zwar altersdünn, aber herrisch.
    Jetzt mußte sie improvisieren, das war Tamisan klar. Aber das hatte sie in ihren Träumen oft getan. Ihr nasser Rock klebte an ihren Schenkeln und Waden, als sie sich schweigend in den Sessel gegenüber ihrer Kundin setzte. Eine Erinnerung regte sich in ihr, die nicht ihre eigene war, die ihr hier jedoch von großer Hilfe sein würde.
    »Was möchtet Ihr wissen, Erstrangige?« In einer instinktiven Geste hob Tamisan die Hände an die Stirn und drückte die Zeigefinger auf die Schläfen.
    »Was auf mich zukommt – und auf die Meinen.« Das fügte sie allerdings erst als nachträgliche Überlegung hinzu.
    Ohne ihr bewußtes Zutun streckten sich Tamisans Hände aus. Sie unterdrückte ihre Überraschung. Es war, als täte sie etwas lange Gewohntes. Mit ihrer Linken hob sie eine Handvoll Sand aus der kremfarbigen Schale. Der Sand war von einer Schattierung dunkler als sein Behälter. Sie warf ihn mit einer scharfen Drehung des Handgelenks auf den Tisch.
    Es geschah alles ohne Überlegung, als hätte jemand von ihr Besitz ergriffen und handle für sie. Nach dem angespannten Schweigen und der vorgebeugten Haltung der Greisin zu schließen, hatte man jedoch genau das von ihr erwartet.
    Jetzt griff Tamisans Rechte nach der pastellblauen Schale mit ihrem dunkelblauen Sand. Ihn jedoch warf sie nicht, sondern ließ ihn aus der Faust ganz langsam über die Tischplatte rieseln, daß eine ganz dünne Schicht ein Muster auf dem bräunlichen Sand beschrieb.
    Ein Schwert mit korbförmigem Griff und leicht gebogener Klinge, die zu einer feinen Spitze zulief, zeichnete sich ab.
    Die Linke holte dunkelroten Sand aus der blaßrosa Schale. Wieder ließ Tamisan den Sand aus der hocherhobenen Faust rieseln. Er bildete unverkennbar ein Raumschiff, und es befand sich in einem Winkel, daß es den Eindruck erweckte, es bedrohe das Schwert. Oder bedrohte das Schwert, dessen Spitze darauf gerichtet war, vielleicht umgekehrt das Raumschiff?
    Jemand stöhnte auf. War es vor Überraschung oder Furcht?
    Tamisans Rechte streckte sich zur letzten Schale aus. Diesmal nahm sie jedoch nicht eine ganze Handvoll, sondern lediglich eine Prise zwischen den Fingerspitzen. Sie hielt den Sand ganz hoch über das Bild auf dem Tisch und öffnete die Finger. Die grünen Sandkörnchen fielen hinunter – und bildeten ein Zeichen, einen gebrochenen Kreis.
    Sie starrte es an, und es schien sich unter ihrer Konzentration leicht zu verändern, und zwar zu einem Symbol, das sie sehr gut kannte. Sie schluckte. Es war das Wappen des Hauses Starrex. Und es überlagerte sowohl den Rand des Schiffes als auch die Schwertspitze.
    »Deutet es mir!« befahl die Edelfrau scharf.
    Wie von selbst kamen die Worte über Tamisans Lippen: »Das Schwert ist die Klinge Ty-Krys, erhoben zur Verteidigung.«
    »Zweifellos! Zweifellos!« murmelten die Anwesenden bestätigend.
    »Das Schiff stellt eine Gefahr dar.«
    »Dieses Ding ein Schiff? Aber das ist doch kein Schiff.«
    »Es ist ein Schiff von den Sternen.«
    »Wehe, wehe!« Diesmal war es kein Murmeln, sondern ein aus aller Lippen erklingender Angstruf. »Wie in den Tagen unserer Väter, als wir gegen die Falschen vorgehen mußten. Ahta! Möge der Geist Ahtas unser Schild und unser Schwert sein!«
    Die Greisin hob die Hand. »Genug! Die verehrten Geister anzurufen, mag vielleicht Trost schenken, aber wie ihr sehr wohl wißt, helfen sie nur jenen, die sich selbst helfen. Seit Ahtas Tagen kamen noch andere Himmelsschiffe, und wir wurden mit ihnen fertig. Wenn ein weiteres kommt, sind wir gewarnt und können uns darauf vorbereiten. Aber was ist dieses grüne Zeichen, o Mund Olavas, das
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