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Traum ohne Wiederkehr

Traum ohne Wiederkehr

Titel: Traum ohne Wiederkehr
Autoren: André Norton
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Er zog sie aus dem Zimmer zu einem grauen Schacht und hinunter zu einer tieferen Etage. In dem Raum, den sie schließlich betraten, befand sich die ihr vertraute Ausstattung: eine Liege für die Träumerin, eine zweite für den, der ihren Traum miterleben wollte, und dazwischen die Maschine mit den Anschlüssen. Hier allerdings gab es noch eine dritte Liege. Tamisan warf einen erstaunten Blick darauf.
    »Zwei träumen, nicht drei.«
    Kas schüttelte den Kopf. »Es ist Lord Starrex’ ausdrücklicher Wunsch, daß noch ein dritter den Traum miterlebt. Die Maschine ist das neueste Modell von größter Leistungsfähigkeit. Sie wurde sorgfältig erprobt.«
    Wer mochte der dritte sein? Ulfilas? Wollte Lord Starrex seinen Leibwächter bei sich haben?
    Jetzt erst betrat Lord Starrex das Zimmer. Er schwang ein Bein steif ausgestreckt, als könne er das Knie nicht beugen, oder vielleicht, weil er keine Kontrolle über die Muskeln hatte, und er stützte sich schwer auf einen Androiden. Als der ihm auf die Liege geholfen hatte, nickte er Kas kurz zu, ohne Tamisan auch nur eines Blickes zu würdigen.
    »Nimm deinen Platz ein«, befahl er ihm.
    Fürchtete Starrex sich vielleicht vor dem Traumzustand und wollte er seinen Vetter bei sich haben, weil Kas offenbar Erfahrung im Traumerleben hatte?
    Dann wandte Starrex sich ihr zu, als er nach der Traumkrone griff und sie aufsetzte, wie er Tamisan es tun sah.
    »Nun wollen wir sehen, was du zu bieten hast.«
     
2.
     
    Sie durfte es sich nicht erlauben, jetzt an Starrex zu denken, sondern mußte sich völlig auf ihren Traum konzentrieren. Sie mußte kreieren und nicht daran zweifeln, daß ihre Schöpfung ihre Hoffnungen noch übertraf. Tamisan schloß die Augen und verband alle durch ihre Nachforschungen gesammelten Fäden mit ihrer Phantasie, um sie zu einem Traum zu weben.
    Einen Augenblick lang erschien es ihr wie der Anfang eines jeden Traumes, doch dann …
    Sie war keine Zuschauerin, sie überwachte ihr Werk nicht kritisch, während sie voll Fleiß spann. Nein, es war, als wäre das Gespinst plötzlich echt, und sie hätte sich darin verfangen wie ein blauer Drohschwanz im tödlichen Netz einer Fesspinne.
    Es war kein Träumen, wie Tamisan es je zuvor erlebt hatte. Die Panik griff mit solcher Macht nach ihr, daß sie geschrien hätte, nur hatte sie keine Stimme. Sie stürzte in die Tiefe und schlug mit vollem Gewicht zwischen einer Reihe von Büschen auf. So hart war der Aufprall, daß sie die Blutergüsse regelrecht spürte und fast das Bewußtsein verlor. Keuchend blieb sie reglos liegen. Sie fürchtete, die Augen aufzumachen, weil sie dann vielleicht feststellen mochte, daß sie in einem Alptraum festsaß und nicht träumte, wie es sich gehörte.
    Als sie allmählich ihre Benommenheit überwand, versuchte sie, die Kontrolle wiederzugewinnen, und zwar nicht nur über ihre Ängste, sondern auch über ihre Traumkräfte. Vorsichtig hob sie die Lider.
    Ein bleichgrüner Himmel mit dünnen grauen Wolkenstreifen wie Krallenfinger hing über ihr. Er könnte so wirklich wie jeder Himmel sein, befände sie sich in ihrer eigenen Zeit und Welt. Meine eigene Zeit und Welt!
    Sie dachte an die Idee, von der sie ausgegangen war, um Starrex zu beeinflussen. Ihr Puls pochte schneller. War die Tatsache, daß sie mit einer neuen Theorie gearbeitet hatte, um die Gleichgültigkeit eines gelangweilten Mannes zu erschüttern, daran schuld?
    Tamisan setzte sich auf, um sich umzusehen, und zuckte zusammen. Jeder Knochen schmerzte. Sie befand sich auf der Kuppe eines niedrigen Hügels, und die Landschaft um sie war gepflegt. Das Gras war frisch gemäht, und blühende Schlingpflanzen rankten sich um kunstvoll bearbeitete Felsblöcke. Doch es gab auch völlig kahle, die düster und grüblerisch wirkten. Alle schauten hangabwärts zu einer Mauer, hinter der sich eine größere Zahl Häuser wie schutzsuchend aneinanderdrängten. Im Verhältnis zu den vielstöckigen Gebäuden und Himmelstürmen, die sie gewöhnt war, empfand sie diese seltsam plump und schwer. Das höchste Haus, wie sie jetzt sah, hatte nicht mehr als drei Geschosse. Die Menschen hier bauten nicht zu den Sternen hoch, sondern kauerten sich auf die Erde.
    Aber wo war hier? Ihr Traum war es bestimmt nicht. Tamisan schloß die Augen und konzentrierte sich auf den Anfang ihres geplanten Traumes. Sie waren dabei gewesen, sich auf eine andere, aus ihrer Phantasie geborene Welt zu begeben, doch nicht auf diese. Ihre Grundidee war ganz einfach
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