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Trauerspiel

Trauerspiel

Titel: Trauerspiel
Autoren: Vera Bleibtreu
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dass du noch kommen konntest.» Tanja Schmidt zwängte sich durch die Menschenmenge in der Kneipe und fiel ihrer Freundin um den Hals.
    «Womit ermittlungstechnisch bewiesen wäre: Pfarrer arbeiten nicht nur sonntags», ergänzte Arne, der ganz in der Nähe stand, und zwinkerte Susanne zu.
    «Hallo Frau Hertz, schön, Sie wieder zu sehen.» Ein grauhaariger, eleganter Mann kam auf Susanne zu. Wolfgang Jacobi, Tanjas Freund. Susanne gab ihm die Hand. Obwohl sie den beiden ihr Glück von Herzen gönnte, gab es ihr doch einen kleinen Stich. Sie hätte auch gerne einen Partner zum Anlehnen und Reden, einen Menschen, mit dem sie vertraut ihr Leben teilen könnte. Einen kurzen Augenblick lang dachte sie an ihren ehemaligen Freund Jens, dann verscheuchte sie die trüben Gedanken und wandte ihre Aufmerksamkeit ihrer Freundin Tanja zu. Das Jahr in Rumänien hatte ihr gut getan. Tanja sah reifer aus. Susannes aufmerksamer Blick entdeckte kleine Fältchen neben den Augen, die ihr erstaunlich gut zu Gesicht standen. Wolfgang Jacobi legte kurz seinen Arm um Tanja, die beiden waren ein schönes Paar, trotz des Altersunterschieds. Beide waren schlank, groß und durchtrainiert. Aber auch der elegante Wolfgang Jacobi hatte Tanja nicht zu modischem Schuhwerk überreden können. Sie trug nach wie vor ihre geliebten Schnürschuhe. Auch ihre Haare waren noch raspelkurz geschnitten. Nur der Blazer, den Tanja trug, schien Susanne, nach Schnitt und Stoffqualität zu urteilen, das Produkt eines italienischen Meisters zu sein, der für seine puristische Eleganz bekannt war.
    «Na, erkennst du mich noch wieder?», grinste Tanja, die Susannes prüfenden Blick sehr wohl bemerkt hatte.
    «Du siehst gut aus!», antwortete Susanne wahrheitsgemäß und drückte die Freundin noch einmal herzhaft. «Du weißt gar nicht, wie öde es war, ein Jahr ohne dich durch den Gonsenheimer Forst zu joggen. Das Leben war trübe, ohne Herausforderungen, niemand, der mich antrieb, ich schleppte meine Pfunde im Schneckentempo durch den Wald, riskierte mein Leben, weil ich von jeder Walkingtruppe überholt und dabei fast von deren Stöcken aufgespießt wurde und sehnte mich täglich nach dir. Ehrenwort.»
    Tanja grinste. «So ist es recht! Ich habe euch auch vermisst. Trinken wir ein Glas auf unser Wiedersehen. Was möchtest du, Susanne? Bier oder Wein?»
    «Wein, aber nur ein Glas.» Susanne zwinkerte Arne zu. «Obwohl, ich muss ja morgen nicht früh raus, ist ja für mich ein echter Feiertag, der Fronleichnamstag.»
    «Auf das Wohl von Tanja, der Heldin von Romania!», rief Arne laut.
    «Auf Tanja!», erscholl es aus vielen Kehlen zurück.
    Schließlich gingen alle erst, als der Wirt um 1 Uhr die Sperrstunde peinlich genau einhielt – alles andere wäre ihm bei der Polizistendichte in seinem Lokal an diesem Abend wie geschäftliches Harakiri vorgekommen.
    «Hast du morgen Zeit zum Laufen?», fragte Susanne Tanja, als sie noch einen Augenblick in der lauen Nachtluft zusammenstanden.
    «Warum nicht?», antwortete die. «Ich habe zwar Dienst, aber morgen werde ich meinen Schreibtisch sichten, da kann ich nach all dem Staub eine Lunge frische Luft in der Mittagspause gut gebrauchen. Das tut mir bestimmt besser als die Kantine. Treffen wir uns um 13.00 Uhr an der 14-Nothelfer-Kapelle?»
    «Meinetwegen auch da», seufzte Susanne, diese kleine Kirche verband sich für sie nach wie vor mit unschönen Erinnerungen.
    * * *
    «Bist du glücklich?» Susanne trabte neben Tanja durch den Wald und schaute ihre Freundin neugierig an.
    Tanja schwieg eine Weile. «Schon, ja…», kam es zögernd.
    «Was ist denn los?», fragte Susanne verblüfft. «Fällt dir die Umstellung von Rumänien schwer?»
    Tanja lief wieder eine Weile schweigend neben Susanne her. «Es ist einfach sehr viel auf einmal. Ich habe die Bilder von Rumänien noch vor Augen: Straßenkinder, die Klebstoff schnüffeln, die neuen Reichen, die mit Autos und Schmuck protzen, Beamte, die korrupt sind, Polizisten, die ihre Wut an Kindern auslassen, die sich nicht wehren können, die Ehrlichen, die kaum eine Chance haben und doch tapfer versuchen, eine Demokratie zu unterstützen…» Tanja verstummte wieder.
    Susanne überlegte. «Du musst mir alles noch einmal ausführlich erzählen …» Sie schwieg eine Weile. «Und Wolfgang? Ihr saht so harmonisch aus gestern Abend.»
    Tanja lief ein wenig schneller. «Wolfgang ist wunderbar. Er ist perfekt und ich liebe ihn.»
    Susanne bemerkte wieder den Anflug von Neid und
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