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Trauerspiel

Trauerspiel

Titel: Trauerspiel
Autoren: Vera Bleibtreu
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schämte sich. Konnte sie ihrer Freundin das Glück nicht gönnen?
    «Er ist mir manchmal einfach zu perfekt. Ich weiß, das klingt blöd und undankbar. Aber manchmal wäre es einfach schön, wenn er eine größere Macke hätte als die, nach dem Pinkeln nie den Klodeckel zuzuklappen.» (Susanne überlegte sofort, ob sie den Deckel zuklappte, sie wusste es nicht, hatte nie darauf geachtet. O je, eine Macke, von der sie gar nichts wusste!) Tanja fuhr fort. «Ich musste mich in Rumänien erst langsam eingewöhnen, als er mich besuchen kam, bewegte er sich in dem mir noch so fremden Land fast wie zu Hause. Natürlich kannte er ein paar wichtige Leute, und zwei Tage, nachdem er da war, hatten wir eine Einladung bei Menschen, die mich ohne ihn wahrscheinlich keines Blickes gewürdigt hätten. An dem Abend lenkte er das Gespräch so geschickt, dass ich vieles erfuhr, was ich sonst erst nach Monaten Recherche mitbekommen hätte. Wolfgang hat auch gespürt, dass ich nach einem halben Jahr Rumänien ziemlich ausgebrannt war und hat mich mit einem Kurzurlaub überrascht, wir sind auf einer Jacht zwischen den dalmatischen Inseln gekreuzt, abends durch Dubrovnik geschlendert. Er wusste natürlich, dass das Licht in Du brovnik abends am schönsten ist. Es scheint so bläulichblass, das gibt den Gemäuern einen besonderen Charme – unglaublich! Er kannte jedes Loch in der Stadtmauer und bewegte sich in den engen Gassen wie ein Einheimischer. Das ist alles ganz toll!» Tanja blieb abrupt stehen und schaute Susanne fast trotzig an. «Aber es wäre auch toll, wenn ich ihm mal etwas zeigen könnte, das er noch nicht kennt. Oder wenn wir etwas gemeinsam entdecken könnten. Ich weiß, das klingt alles so ungerecht ihm gegenüber, so, als ob ich ein trotziges verwöhntes Kind wäre.» Tanja holte tief Luft. «Aber ich komme mir ihm gegenüber oft so klein vor, so unbeholfen. Er ist so perfekt. So verdammt perfekt.» Sie drehte sich um und sprintete in einem rasanten Tempo die nächste Steigung hoch.
    Susanne hechelte hinterher und machte erst gar keine Anstalten, die Freundin zurückzurufen. Tanja brauchte jetzt die Anstrengung. Sie würde schon wiederkommen. Und in der Tat kam die Freundin gerade wieder in waghalsigem Tempo den Berg herunter. Susanne sagte gar nichts und stupste Tanja nur sanft in die Seite. Schweigend liefen die beiden Frauen bis zur 14-Nothelfer-Kapelle. Tanja wirkte nach der einen Stunde weder verschwitzt noch irgendwie angestrengt. Nur die steile Falte zwischen ihren Augenbrauen verriet ihre Anspannung. Susanne, die in der letzten Zeit wieder mal zu ausgiebig dem guten Essen und dem rheinhessischen Wein zugesprochen hatte, zerfloss trotz ihrer Funktionsklamotten in Bächen von Schweiß.
    «Wann fängst du eigentlich an zu schwitzen?», fragte sie Tanja hechelnd.
    Die grinste nur kurz und konzentrierte sich dann wieder darauf, ihren Fuß zum Po zu ziehen, um ihre Oberschenkelmuskulatur zu dehnen.
    «Weißt du was, Tanja, wir zwei gehen heute Abend gemütlich essen. Hast du Zeit? Bei dem schönen Wetter könnten wir auf die andere Rheinseite zur Bastion Schönborn fahren, oder wir gehen in eine Straußenwirtschaft. Oder ich koche dir was Leckeres und wir essen auf meinem Balkon, wo uns keiner zuhört und du mir alles in Ruhe erzählen kannst.»
    Tanja lächelte dankbar. «Das klingt gut. Hast du denn noch was im Kühlschrank, du kannst ja heute nicht einkaufen gehen.»
    Susanne grinste. «Neulich habe ich in einer dieser dämlichen Zeitschriften gelesen, dass die Frau von Welt für Gäste stets mit einer Flasche Champagner, tiefgekühltem Pesto, getrockneten Pilzen und einer Auswahl frischer Nudeln im Kühlschrank gerüstet ist. Das habe ich mir zu Herzen genommen. Ich bin gerüstet, Liebste! Käse ist auch noch reichlich da. Also, heute Abend um acht knallt der Korken. Und falls wir mehr als eine Flasche brauchen sollten, hat die Frau von Welt auch eine zweite griffbereit.»
    Tanja schmunzelte. «Das klingt gut! Falls du nicht zu Nudeln mit Pesto den Rotwein vorziehst, den mein Liebster mir neulich aus Südafrika mitgebracht hat. Natürlich von einem Weingut, dessen Besitzer er persönlich kennt und der ihm eine Kiste besonderer Qualität reserviert hat. Die Trauben, halt dich fest, ließ er von Frauen barfuß zerstampfen, wohlgemerkt, nur von Frauen, weil er meint, dass Frauenfüße anders treten als Maschinen oder Männerfüße. Eben sensibler.»
    Susanne blickte auf ihre sensiblen Füße herunter. «Das klingt
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