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Träume(h)r (German Edition)

Träume(h)r (German Edition)

Titel: Träume(h)r (German Edition)
Autoren: Rudolf Moos
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glauben.
    Wozu studierte man eigentlich Betriebswirtschaftslehre, fragte er sich beim Verstauen seiner Unterlagen in der Umhängetasche. Diese Frage quälte ihn in den letzten Monaten immer mehr, denn die Zeit drängte und bald würde man ihn nicht mehr als Student, sondern als einen Absolvent bezeichnen müssen. Bald würde er die bittere Härte zu spüren bekommen, die jeden nach Abschluss des Studiums erwartete. Die Realität.
    Er dachte nach, um eine Antwort auf seine Frage zu finden und verirrte sich dabei erneut in seiner Fantasie. Vor seinen Augen formte sich ein dunkles, holzgetäfeltes Arbeitszimmer. Die Möbel darin waren alt, aber gemütlich. An den Wänden erstreckten sich meterhoch massive, gut gefüllte Bücherregale. Ein Bärenfell lag vor einem brennenden Kamin. Er, mittlerweile ein in die Jahre gekommener alter Herr, saß vor dem lodernden Feuer und las gemächlich ein Buch. Irgendwann hielt er inne, um eine Seite umzublättern und blickte dabei über das Feuer hinauf zu einem aufwendig verarbeiteten Bilderrahmen, dem er schon seit längerem keine Beachtung mehr geschenkt hatte. In dessen Mitte befand sich ein Blatt Papier. Die Farbe war mit den Jahren verblasst, jedoch konnte man noch deutlich die verschnörkelte Schrift darauf erkennen.
    »Master-Urkunde. Marc Fröhlich schloss das Studium der Betriebswirtschaftslehre Master of Science mit Auszeichnung als Jahrgangsbester an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster ab. Jahrgang 2013.«
    Unterschrift des Dekans und sehr wichtig aussehende Stempel inklusive. Marc nickte. Das musste es sein. Das klang nach einem edlen Grund BWL studiert zu haben, aber wirklich überzeugen konnte ihn seine Vorstellung nicht.

In der Küche duftete es wie immer köstlich. Es gab Lachs Quiche mit Spargel und als Nachspeise ein liebevoll angerichtetes Schokoladen Soufflé. Der Esstisch war aufwendig dekoriert und die Küche war so sauber, als sei sie gar nicht zum Kochen benutzt worden. Marc setzte sich auf seinen Platz und betrachtete das Essen. Wer sollte denn da ausziehen wollen, fragte er sich und nahm das Besteck zur Hand. Er wollte gar nicht darüber nachdenken wie seine Kommilitonen speisen mussten, die den Schritt gewagt hatten ihr behütetes Elternhaus zu verlassen und jetzt in WGs oder winzigen Ein-Zimmer-Wohnungen um das nackte Überleben kämpften. Wahrscheinlich aßen sie Fertigprodukte, wie Dosenravioli oder Mirácoli Nudeln, die er nur aus der Werbung kannte. Für ihn war es zwar nicht mehr außergewöhnlich, schmackhafte Menüs wie das heutige serviert zu bekommen und es fühlte sich nicht mehr an, wie sich der erste Kuss einer Traumfrau anfühlen würde, aber mit dem wohlvertrauten Schmatzer in einer soliden, zwanzigjährigen Ehe konnte man das Gefühl definitiv vergleichen, das Marc bei der täglichen Nahrungsaufnahme verspürte.
    »Wie läuft es mit dem Lernen?«
    Seine Mutter Clara fragte ihn andauernd solche Sachen, um ein Gespräch beim Essen aufzubauen.
    »Ganz okay.«
    »Fühlst du dich gut vorbereitet?«
    »Mehr oder weniger. Ist immer Glückssache.«
    Das sagte er jedes Mal vor den Prüfungen zu ihr, aber Clara wusste genau, dass ihr Sohn nichts zu befürchten hatte. Mit seinem Notendurchschnitt gehörte er zu den Besten des Jahrganges, was sie und ihren Mann Jörg mehr als zufrieden stimmte.
    Nach dem kurzen Smalltalk mit seiner Mutter ging Marc mit vollem Bauch die Treppen zu seiner Etage hinauf, um im Liegestuhl auf der Dachterrasse, die er ganz für sich allein hatte, ein Buch zu lesen.
    Die Sonne wärmte sein Gesicht und er war fast am Ende des Romans, den er vor einigen Tagen begonnen hatte zu lesen, angelangt. Darin ließ sich Der Protagonist mit seiner Geliebten nach vollendetem Werk in Portugal nieder. Jack, hieß er, war ein verdammt cooler Typ und hatte fast im Alleingang die Welt verändert. Nun würde er in Salema, einem traditionellen Fischerdorf Portugals leben und sich dem Leben, der Liebe und Kunst widmen. Carpe Diem auf höchster Ebene also. Ähnlich wie in Woody Allens Film »Vicky, Cristina, Barcelona«, aber mit Happy End, dachte Marc. Sicherlich kein schlechtes Dasein. Eine heiße Portugiesin an seiner Seite, einen schönen Portwein auf dem Tisch und ein kleines Häuschen in Strandnähe.
    Marc überschlug kurz seine finanzielle Lage. Gar nicht so schlecht, dachte er sich, denn immerhin hatte er die laufenden Einnahmen seiner Smartphone Applikation.
    Die Idee zu »Boss Beeper« war ihm aus der Not heraus gekommen.
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