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Traeume, zart wie Seide

Traeume, zart wie Seide

Titel: Traeume, zart wie Seide
Autoren: Jessica Bird
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aufdrängt, einer der Senatoren selbst hätte aus dem Nähkästchen geplaudert.“
    „So ist es leider auch. Und ich weiß, wer es war.“ Beckin schwenkte sein Glas, sodass die Eiswürfel darin klingelten. „Ein Mitglied des Senats hat eine Affäre mit Miss Shaw.“
    Gray goss sich noch einen Whiskey ein. „Und woher wissen Sie das?“
    „Weil Anna gesehen wurde, wie sie das Hotelzimmer dieses Senators verließ.“
    „Na und? Er könnte ihr auch ein Interview gegeben haben.“
    „Um vier Uhr morgens? Und wieso würde Miss Shaw nur mit einem Regenmantel bekleidet ein Interview führen? Außerdem war es nicht das erste Mal.“
    „Tja, dann kann man den beiden nur zu ihrer Dummheit gratulieren“, bemerkte Gray und setzte das Glas an den Mund.
    „Es handelt sich um Senator Adams.“
    Gray erstarrte und sah den anderen über das Glas hinweg entsetzt an. „Wie bitte?“
    „Roger Adams.“
    Allisons Mann? Gray konnte es kaum fassen. „Sind Sie sicher?“
    „Glauben Sie, ich erfinde so was?“
    „Verdammt.“ Heftig stellte Gray das Glas ab. Allison und Roger Adams waren eins der wenigen Paare in Washington, die eine glückliche Ehe führten. Das hatte er jedenfalls bisher immer gedacht.
    „Also, im Grunde geht es mich ja auch nichts an“, fuhr Beckin fort. „Wir wissen beide, dass es im Regierungsbezirk nicht gerade wie im Kloster zugeht. Aber ausgerechnet mit einer Reporterin zu schlafen und dabei auch noch Interna auszuplaudern, das geht dann doch zu weit.“
    Gray fixierte den Mann kühl. „Und wieso erzählen Sie mir das alles?“, fragte er. „Was wollen Sie von mir?“
    Tatsächlich wurde Beckin rot. „Ich bitte Sie um Hilfe. Sie haben Einfluss in Washington, man hört auf Sie, und ich möchte, dass Sie die anderen Senatoren warnen. Man kann Adams nicht mehr vertrauen. Wenn ich die Katze aus dem Sack lasse, wird es so aussehen, als wolle ich ihn loswerden.“
    „Ach, und das ist natürlich keineswegs Ihre Absicht“, sagte Gray ironisch. „Wo er doch bei jedem Gesetzentwurf, den Sie durchbringen wollen, gegen Sie stimmt.“
    „Genau das ist der Punkt. So wird jeder denken – aber ich versuche hier nur, meinen Senat zu schützen.“
    Seinen Senat? Wo blieben denn da die Wähler? Das Volk? Auf einmal fühlte Gray sich ausgelaugt und müde. Diese ewigen Intrigen und Machtspiele in der Politik fingen an, ihm auf die Nerven zu gehen. In Washington kümmerte es eigentlich niemanden mehr, weshalb er vom Volk gewählt worden war – jeder gierte nur nach seinem eigenen Vorteil.
    „Hören Sie, Gray, ich nenne Ihnen meine Quellen, dann können Sie die Sache selbst überprüfen. Bitte sorgen Sie dafür, dass diese unsäglichen Artikel aufhören. Damit verhöhnt eine bloße Klatschreporterin den Senat und die Demokratie.“
    Auf einmal ging die Tür auf, und Joy stand im Raum, ein leeres Tablett in der Hand.
    „Verzeihung, ich wollte nicht …“
    Beckin setzte sofort ein väterliches Lächeln auf, und auch seine Stimme klang auf einmal weich. „Keine Sorge, meine Liebe, jemand wie Sie stört nie.“
    „Ich komme besser später noch mal wieder, um die leeren Gläser zu holen“, stotterte Joy etwas verlegen und ließ das Tablett sinken.
    „Nein, bleiben Sie, ich wollte sowieso grad gehen.“ Beckin stellte sein Glas ab und lächelte Gray zu. „Wir hören voneinander, ja? Danke für die Einladung heute. Es hat mir viel bedeutet, Walter wiederzusehen. Er hat so viel für mich getan, als ich ganz am Anfang stand.“
    Als Beckin hinausging, starrte Joy ihn nachdenklich an, als versuche sie, sich zu erinnern, wo sie ihn schon einmal gesehen hatte. Dann schüttelte sie den Kopf und wandte sich zur Tür. „Ich komme später wieder.“
    Doch Gray brachte es einfach nicht fertig, sie gehen zu lassen.
    „Joy. Warten Sie.“
    Sie zögerte und drehte sich zu ihm um, ohne aber den Kopf zu heben. Langsam ging er auf sie zu. Wie schön sie war!
    In dem weichen Licht des Kronleuchters schimmerten ihre Haare wie gesponnenes Gold. Mit ihrer hellen Haut und den zarten Gesichtszügen sah sie zerbrechlich aus wie eine Porzellanfigur und sanft wie ein Engel. Dieser Eindruck wurde noch von dem weißen Spitzenkragen ihrer Bluse betont, der in einem dezenten Ausschnitt endete. Aus ihrem wundervollen langen Haar stieg zarter Lavendelduft auf.
    Unbändiges Verlangen überfiel ihn.
    „Ich möchte Ihnen helfen“, sagte er ein wenig heiser.
    Ich möchte dich küssen, dachte er. Nur ein einziges Mal.
    Sie blinzelte
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