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Traeume Suess, Mein Maedchen

Titel: Traeume Suess, Mein Maedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
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Backsteinwand gegenüber dem Tresen, in der Mitte und im vorderen Teil standen ein Dutzend Tische. Der geflieste Fußboden verstärkte den Lärm der Gäste, überwiegend junge Frauen wie sie selbst.
    Wo waren all die Männer, fragte Jamie sich gedankenverloren. An einem der Tische saßen ein paar Mitvierziger, die über ein neues Firmenlogo debattierten und nicht einmal aufgeblickt hatten, als sie sich in ihrer engen, tief sitzenden Jeans und ihrem noch engeren pinkfarbenen Pulli an ihnen vorbeigedrängt hatte. Und dann war da noch ein trübsinnig aussehender Mann mit einem ungepflegten Tom-Selleck-Schnauzer. Mehr Auswahl gab es nicht. Zumindest noch nicht. Jamie sah erneut auf die Uhr, obwohl seit dem letzten Mal kaum ein paar Minuten vergangen waren. Wahrscheinlich war es für Männer noch zu früh zum Ausgehen, vermutete sie. Um sieben Uhr würde sich ein Mann noch verpflichtet fühlen, eine Frau zum Abendessen einzuladen. Später müsste er ihr lediglich ein paar Drinks spendieren.
    Der Barkeeper kam mit ihrer Bestellung. »Zum Wohl.«
    Jamie nahm das Glas und trank hastig einen Schluck Wein.
    »Harten Tag gehabt?«
    »Mein Freund liegt im Krankenhaus«, antwortete Jamie und kam sich sofort ziemlich dämlich vor. Sie schüttete dem Barkeeper ihr Herz aus, Himmel noch mal. Aber wenn sie ihre traurige Leidensgeschichte dem Barkeeper erzählte, käme sie vielleicht nicht in Versuchung, sie ihrer Schwester zu erzählen. Und vielleicht würde der Barkeeper, der groß und niedlich war mit einer interessanten Narbe unter dem rechten Auge, sie später bitten zu warten, bis seine Schicht zu Ende war, und sie würden sich zusammen an den Brunnen am Ende der Straße setzen, und er würde sich als sensibel, witzig, intelligent und alles Mögliche erweisen … »Verzeihung. Haben Sie etwas gesagt?«

    »Ich habe Sie gefragt, ob Ihr Freund krank ist.«
    »Nein, er hatte auf der Arbeit einen Unfall und musste operiert werden.«
    »Wirklich? Was für einen Unfall denn?«
    »Er ist auf dem Weg zum Klo über einen Teppich gestolpert und hat sich den Knöchel gebrochen.« Sie lachte. Wie lächerlich war das!
    »Echt Kacke«, meinte der Barkeeper.
    Jamie lächelte, nahm einen großen Schluck Rotwein und wartete, bis der Barkeeper sich entfernt hatte, bevor sie wieder aufblickte. So viel zum Thema witzig und intelligent, dachte sie. Egal wie einsam und verzweifelt sie auch sein mochte, sie würde nie mit einem Typen ausgehen, der Echt Kacke sagte.
    Sie warf einen verstohlenen Blick zu dem Mann mit dem Tom-Selleck-Schnurrbart, der schützend über seinem Drink kauerte. Er sah kurz auf, bemerkte ihren Blick und wandte sich mit scheinbar demonstrativem Desinteresse ab. »Der Schnurrbart sieht sowieso falsch aus«, murmelte Jamie in ihr Glas, für einen Moment fasziniert von ihrem Spiegelbild in der dunkelvioletten Flüssigkeit.
    Im nächsten Moment sah sie sich die Eingangstreppe des Samariter-Krankenhauses hinaufgehen und eine äußerst gut aussehende Schwarze an der Rezeption nach der Zimmernummer von Tim Rannells fragen. »Er sollte heute Morgen am Knöchel operiert werden«, erklärte sie der Frau und packte das Geschenk, das sie für ihn mitgebracht hatte, fester, sodass die Plastiktüte zerknitterte.
    Die Frau gab die Angaben in einen Computer ein, und ein besorgter Ausdruck legte sich auf ihre hübschen Gesichtszüge. »Ich fürchte, Mr. Rannells ist in die Intensivstation verlegt worden.«
    »In die Intensivstation? Wegen eines gebrochenen Knöchels?«
    »Mehr kann ich Ihnen auch nicht sagen.«

    Die Frau beschrieb Jamie den Weg, aber die Tür zur Intensivstation im zweiten Stock war verschlossen, und niemand reagierte auf ihr Klingeln, sodass Jamie etliche Minuten in dem sterilen Wartebereich auf und ab lief und sich fragte, wie ein gesunder 35-jähriger Mann, der wegen einer kleineren Operation ins Krankenhaus eingeliefert worden war, auf der Intensivstation landen konnte.
    »Sie können sich auch ruhig setzen«, sagte eine Frau mittleren Alters mit blasser weißer Haut und müden blauen Augen, die auf einem der orangefarbenen Plastikstühle an der nackten Wand saß. »Ich glaube, die sind da drin ziemlich beschäftigt.«
    »Warten Sie schon lange?«
    »Ich warte eigentlich nur auf eine Freundin.« Sie ließ das People -Magazin, in dem sie gelesen hatte, in den Schoß sinken. »Sie ist da drinnen bei ihrer Tochter, die einen Autounfall hatte. Sie sind sich noch nicht sicher, ob sie durchkommt.«
    »Wie furchtbar.« Jamie

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