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Traeume Suess, Mein Maedchen

Titel: Traeume Suess, Mein Maedchen
Autoren: authors_sort
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vermisst meldete, obwohl er wusste, dass er sich darauf nicht verlassen durfte. Gracie hatte jede Menge Freundinnen, und vielleicht war sie morgen mit einer von ihnen zum Essen verabredet. Er durfte also nicht allzu übermütig werden. Je eher er der Mad River Road einen Besuch abstattete, desto besser.
    »Ich dachte, wir machen eine kleine Spazierfahrt an die Küste«, erklärte er Gracie, deren Augen mittlerweile aus ihrem Kopf zu quellen drohten. »Ich werfe dich unterwegs einfach in einen Sumpf, dann können sich die Krokodile an dir vergnügen.«
    Selbst als ihre Arme schließlich schlaff herabsanken und er sicher wusste, dass sie tot war, drückte er ihren Hals noch eine volle weitere Minute zu und zählte stumm die Sekunden herunter, bevor er seine Finger einzeln löste und befriedigt lächelte, als ihr Körper vor seinen Füßen zu Boden sank. Er ging ins Schlafzimmer und zog das blutige Kopfkissen ab, bevor er das Bett machte und das Zimmer genauso verließ, wie er es angetroffen hatte. Er hob die achtlos auf den Boden geworfene Handtasche auf, steckte eine Hand voll Bargeld und ihre Kreditkarte ein und machte sich auf die Suche nach ihren Schlüsseln. »Du hast doch nichts dagegen, dass wir deinen Wagen nehmen?«, fragte er, als er zur Haustür zurückkehrte, wo er Gracies noch warmen Körper mit beiden Armen aufhob. Sie blickte mit kalten toten Augen zu ihm auf. Er lächelte. »Ich nehme das mal als Nein«, sagte er.

1
     
     
    Jamie Kellogg hatte einen Plan. Der Plan war relativ einfach. Er bestand darin, in die nächste einigermaßen anständig aussehende Bar zu gehen, sich in eine dunkle Ecke zu setzen, wo keiner sehen konnte, dass sie geweint hatte, und ihren Kummer in ein paar Weißweinschorlen zu ertränken. Nicht so viele, dass sie davon betrunken oder auch nur beschwipst wurde, denn sie hatte schließlich noch die lange Rückfahrt nach Stuart vor sich. Sie musste ihre fünf Sinne beisammen halten und durfte auf keinen Fall riskieren, am nächsten Morgen verkatert zu sein. Nicht, wenn Mrs. Starkey ihr im Nacken saß wie ein Albatross.
    Sie blickte die beinahe menschenleere Straße hinunter. In dieser Gegend eine einigermaßen vernünftige Kneipe zu finden, war relativ aussichtslos, obwohl die unmittelbare Nähe zu einem Krankenhaus doch die perfekte Lage gewesen wäre. Sie blickte sich noch einmal zu dem flachen Klinikbau um, dem Samariter-Krankenhaus, und verzog bei dem Gedanken an die Szene, die sich gerade auf der dortigen Intensivstation abgespielt hatte, das Gesicht. Erzähl uns nicht, dass dich das überrascht, konnte sie ihre Schwester und ihre Mutter in ihr Ohr flüstern hören, in perfekter Harmonie miteinander wie immer oder wie sie es gewesen waren, als ihre Mutter noch lebte.
    »Natürlich war ich überrascht«, murmelte Jamie, ohne die Lippen zu bewegen. »Woher sollte ich es wissen?« Eine plötzliche Böe trug ihre Frage in die warme Abendluft davon. Wenigstens hatte es endlich aufgehört zu regnen. In den vergangenen zwei Tagen waren an der Ostküste Floridas
heftige Gewitter niedergegangen, sodass einige Straßen, darunter die, in der sie wohnte, überflutet worden waren. Ja, ich weiß, das ist der Preis dafür, dass ich unbedingt eine Wohnung mit Blick aufs Wasser haben wollte, aber es ist doch nur ein kleines Bächlein. Ich wohne schließlich nicht in einem überteuerten Apartment an der Strandpromenade wie meine jüngere Schwester. Entschlossen stapfte sie auf den kleinen Parkplatz neben dem Krankenhaus, während sie im Kopf mit ihrer Schwester und ihrer kürzlich verstorbenen Mutter weiterstritt. Wer hätte auch gedacht, dass der verdammte Fluss über die Ufer tritt?
    Das ist genau dein Problem, begann ihre Mutter.
    Du denkst nicht nach, beendete ihre Schwester den Gedanken.
    »Und ihr traut mir zu wenig zu«, flüsterte Jamie und setzte sich hinter das Steuer ihres alten blauen Thunderbird, das Einzige, was ihr nach ihrer Scheidung im vergangenen Jahr geblieben war. Sie fuhr vom Parkplatz herunter und hoffte, vor der Auffahrt zur Autobahn noch ein passendes Lokal zu finden.
    Ihre Wohnung lag zum Glück im ersten Stock des dreigeschossigen Hauses, sodass ihr der Wasserschaden erspart geblieben war, der die weniger glücklichen Bewohner des Erdgeschosses getroffen hatte. Apropos Wasser, dachte sie, als sie im Rückspiegel ihre angeblich wasserfeste Wimperntusche überprüfte und dankbar feststellte, dass ihre Tränen keine bleibenden Spuren hinterlassen hatten. Stattdessen
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