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Totgeschwiegen (Bellosguardo)

Totgeschwiegen (Bellosguardo)

Titel: Totgeschwiegen (Bellosguardo)
Autoren: Annette Reiter
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erklären, warum ihr Vater so sanft und besonders liebevoll mit ihr umging. Maya war aufgefallen, dass sich das Verhältnis ihrer Eltern verändert hatte. Viel mehr als früher, suchte ihre Mutter die Nähe ihres Vaters.
    Maya fing an, Rechnungen zu durchwühlen. Sie suchte nach Arztrechnungen, nach einer schlimmen Diagnose. Sie wusste nicht genau, ob sie überhaupt etwas finden wollte. Aber, einmal damit angefangen, konnte sie nicht aufhören. Nachdem sie keine verdächtigen Rechnungen finden konnte, nahm sie sich den Computer ihrer Mutter vor. Sie las sogar ihre E-Mails. Nichts deutete auf eine Krankheit oder ein anderes schlimmes Problem hin. Maya durchforstete den ganzen Computer. Und dann fand sie den Grund für die Verzweiflung und die Traurigkeit. Völlig geschockt las sie an einem Nachmittag, als keiner sonst zuhause war, die Tagebucheinträge ihrer Mutter.
    Sie war so wütend auf ihren Vater, dass sie ihn am liebsten zur Rede gestellt hätte. Aber das traute sie sich nicht.
    Von nun an beobachtete sie ihre Mutter und ihren Vater sehr genau. Dabei fiel ihr auf, dass ihre Mutter am zufriedensten wirkte, wenn ihr Vater sie in den Arm nahm. Regelmäßig las Maya nun die Tagebucheinträge. Sie verfolgte die Gedanken ihrer Mutter mir Argusausgen und kam sich vor wie eine Spionin. Wenn ihre Mutter beschlossen hatte, ihrem Vater zu verzeihen, weil sie ihn so sehr liebte, hatte sie das als Tochter zu akzeptieren. Alles was sie sich für ihre Mutter wünschte, war, dass sie endlich wieder lachen würde.
    Und allmählich entspannte sich ihre Mutter tatsächlich. Maya hörte mit ihrer Schnüffelei auf und konzentrierte sich wieder mehr auf ihr Leben. Bis zu diesem einen Tag im März.
    Maya war früher aus der Schule gekommen. Sie überraschte ihre Mutter im Keller beim Bügeln. Sofort wusste sie, dass etwas nicht stimmte. Die Augen ihrer Mutter waren rotverweint, das Gesicht war tränennass. War das nur der Kummer über die Affäre, der immer wieder hochkam? Oder war schon wieder etwas passiert? Was hatte ihr Vater jetzt getan? Es ließ Maya keine Ruhe. Ihre Mutter fuhr in den folgenden Tagen bei jeder Kleinigkeit aus der Haut und wenn sie nicht gerade rumschrie oder motzte, schien sie mit ihren Gedanken ganz wo anders zu sein.
    Bei der nächsten Gelegenheit, die sich ihr bot, öffnete Maya erneut das Tagebuch und fand den Vermerk über das Baby. Danach überprüfte sie täglich den Computer nach neuen Einträgen und schließlich las sie das Vorhaben ihrer Mutter, die Frau aufzusuchen.
    War es an der Zeit , die Karten auf den Tisch zu legen? Aber sie konnte ihrer Mutter einfach nicht sagen, dass sie ihr Tagebuch las. Sollte sie ihren Vater darauf ansprechen? Aber wäre das nicht ein Verrat an ihrer Mutter? Wenn ihre Mutter diese Frau aufsuchen wollte, war es ihr gutes Recht.
    Die halbe Nacht wälzte sich Maya in ihrem Bett. In der Schule konnte sie sich am nächsten Tag kaum konzentrieren. Sie beeilte sich, nach Hause zu kommen. Fast schon erwartete sie ein leeres Haus. Aber ihre Mutter war wie gewohnt da. Beim Mittagessen beobachtete Maya sie verstohlen. Sie aß fast nichts und war zittrig. War sie schon bei der Frau gewesen? Kaum hatte ihre Mutter die Teller abgeräumt, verkündete sie, dass sie kurz mal wegmüsse. Es könnte auch länger dauern. Anna verdrehte daraufhin die Augen.
    „Mama, wo willst du denn hin?“, fragte Anna.
    „Ähm, nicht so wichtig. Macht ihr mal eure Hausaufgaben.“
    Nur Augenblicke später war das Geräusch der zufallenden Haustür zu hören.
    Maya war sich sicher, dass ihre Mutter zu der Frau fuhr. Wie von der Tarantel gestochen sprang sie auf und murmelte etwas von:
    „Muss auch kurz weg.“
    „Was habt ihr denn heute nur?“ Anna schüttelte den Kopf und ging in ihr Zimmer.
    Maya hatte die Adresse schon am Abend vorher im Stadtplan nachgesehen. Sie rannte zu r U-Bahn. Warum sie ihrer Mutter hinterherfuhr, wusste sie auch nicht so genau. Sie wusste nur, dass sie nicht zuhause ruhig sitzen bleiben konnte.
    Als sie völlig außer Atem bei der Adresse ankam, sah sie ihre Mutter im Auto auf der anderen Straßenseite parken. Sollte sie sich zu erkennen geben? War ihre Mutter schon in der Wohnung der Frau gewesen? Wenn, dann war es ein kurzer Besuch gewesen. Maya war mit der U-Bahn schnell durchgekommen und sie würde den Vorsprung ihrer Mutter auf maximal zehn Minuten einschätzen. Verstohlen schlich sie mit gebührendem Abstand um den BMW herum. Die Straße war nicht sonderlich groß und
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