Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Totgekuesste leben laenger

Totgekuesste leben laenger

Titel: Totgekuesste leben laenger
Autoren: Kim Harrison
Vom Netzwerk:
stinkt was schlimmer als ein Schwarzflügel in der Sonne«, sagte er, eher zu sich selbst. »Nakita hat gesagt, du hattest den Stein von Kairos. Das ist unmöglich, er …« Mit einem Gesichtsausdruck, der mich schaudern ließ, wandte Barnabas sich um. »Madison, ich hab nachgedacht. Wenn Ron kommt, bitte ich ihn, deinen Unterricht jemand anderem zu übertragen.«
    Mein Mund öffnete sich. Es war, als hätte er mir einen Schlag in die Magengrube versetzt. Auf einmal ergab alles einen Sinn. Er gibt mich auf. Mann, ich muss ja noch blöder sein, als ich dachte. Verletzt, und weil ich nicht wusste, was ich sonst machen sollte, sprang ich von der Mauer und schrammte mir dabei die Beine auf, weil ich mich nicht fest genug abgestoßen hatte. Tränen brannten mir in den Augen. Ich schnappte mir mein Fahrrad und machte mich auf in Richtung Schultor. Nach Hause. Ron würde mich auch dort finden.
    »Wo willst du hin?«, rief Barnabas, als ich mein Bein über den Sattel schwang.
    »Nach Hause.« Tot zu sein nervte echt. Ich konnte es keinem erzählen und jetzt sollte ich auch noch weitergereicht werden wie ein Geschenk, das niemand haben wollte. Okay, dann würde Barnabas mich eben nicht mehr unterrichten. Doch daneben zu stehen, während er es Ron erzählte, das war einfach zu demütigend.
    »Madison, es ist nicht so, dass du mich enttäuscht hast. Ich kann dich nicht unterrichten«, sagte Barnabas, in dessen braunen Augen sich Besorgnis und Mitleid spiegelten.
    »Ja, weil ich tot und blöd bin, schon kapiert«, gab ich niedergeschlagen zurück.
    »Du bist nicht blöd. Es liegt an deinem Amulett, dass ich dich nicht unterrichten kann. An demjenigen, dem es gehört hat.«
    Es lag ein unheimliches Maß an Furcht in seinen Worten, sodass ich, plötzlich beunruhigt, stehen blieb. In der ganzen Zeit war es Ron einfach nicht gelungen, herauszufinden, wessen Amulett ich mir da genommen hatte.
    »Kairos?«, flüsterte ich und versteifte mich, als ich ein Prickeln zwischen den Schulterblättern spürte. Ich erstarrte. Mein Blick fiel auf die Schatten; ich fragte mich, ob sie gerade ein Stück weiter vorgesprungen waren. Barnabas sah auf einen Punkt hinter mir und sein Gesicht nahm einen seltsamen Ausdruck zwischen Erleichterung und Wachsamkeit an. »Ich habe nicht viel Zeit. Zeigt mal eure Amulette«, erklang die unverwechselbar forsche Stimme des Zeitwächters.
    Joshs Autotür öffnete sich. Meine Panik wuchs. »Josh!« Mit meinem Fahrrad rannte ich mitten über die leere Straße. »Josh, es tut mir leid«, platzte ich heraus, als ich an der Fahrertür angelangte. »Warte.« Ich sah zum Himmel hoch und mein Herz klopfte, aber die Schwarzflügel hatten schon abgedreht. Erleichtert atmete ich auf - doch was würde passieren, wenn ich ihn allein ließ?
    Der Engel würde ihn nicht beschützen, aber wenn ich bei Josh blieb, konnte ich ihn mit meiner Immunität abschirmen. Und wenn die Schwarzflügel ihn nicht aufspürten, konnten es auch Kairos und Nakita nicht. Warum hatte ich mir denn nicht mehr Mühe gegeben bei der Gedankenberührung? Die wäre jetzt gar nicht mal so unpraktisch.
    Josh hielt das Lenkrad umklammert und starrte mich an. Ein Auto fuhr langsam um uns herum. »Madison, du bist mal echt 'ne schräge Tante.«
    »Ja, ja, ich weiß«, beeilte ich mich zu sagen. »Kannst du mich zum Fahrradgeschäft mitnehmen? Ich brauch 'nen neuen Reifen.«
    Josh legte den Kopf schief und sah mich an. In diesem Augenblick hätte ich so ungefähr alles dafür getan, das Ganze nicht erklären zu müssen. Doch ich hätte auch alles getan, um ihn aus der Gefahrenzone zu bringen. Es war meine Schuld, dass er überhaupt in Gefahr schwebte. Ich war zwar tot, aber ich hatte immer noch ein Gewissen. Wenn ich jetzt ging, würde Josh darunter leiden. Vielleicht sogar sterben. »Ich bin ganz unten in einer Schlucht, stimmt's?«, brabbelte ich verzweifelt drauflos. »In einem schwarzen Cabrio. In deinem Traum, meine ich.« Joshs Mund klappte auf »Woher weißt du das?« Ich leckte mir über die Lippen, die Hitze strömte von der Straße herauf wie Höllenfeuer. Ich wusste, dass ich das falsche Gedächtnis, das Ron ihm gegeben hatte, nicht zerstören durfte. Aber Ron war nicht da und ich konnte ihn nicht erreichen.
    »Weil es kein Traum war.«

4
    Joshs Pick-up hatte ungefähr zwanzig Jahre auf dem Buckel und nicht allzu viel Komfort. Man musste eigenhändig auf- und abschließen und die Fenster herunterkurbeln, außerdem hatte er eine lange, durchgehende
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher