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Totensonntag: Ein Westfalen-Krimi (Westfalen-Krimis) (German Edition)

Totensonntag: Ein Westfalen-Krimi (Westfalen-Krimis) (German Edition)

Titel: Totensonntag: Ein Westfalen-Krimi (Westfalen-Krimis) (German Edition)
Autoren: Jürgen Reitemeier , Wolfram Tewes
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müssen sich also keine Gedanken um die Katzentoilette machen.«
    Natascha schien sich bereits wie zu Hause zu fühlen, denn sie sprang vom Arm und machte sich munter daran, den Hausflur der Hermskötters zu untersuchen. Walter Hermskötter wollte energisch Nein sagen, aber seine Gattin kam ihm mit einem freundlichen: »Meine Liebe, das ist gar kein Problem, wir helfen doch gern!« zuvor.
    Er schluckte wortlos seinen Widerspruch herunter. Das Mädchen sieht tatsächlich ziemlich verzweifelt aus, tröstete er sich. Er betrachtete ihre blonden, schulterlangen Haare, ihren dünnen Mantel mit den auffälligen roten Knöpfen, sah die kleine Regenwasserpfütze, die sich um ihre hochhackigen Sommerschuhe herum bildete. Dann schaute er ihr ins Gesicht und sah in die dunklen, traurigen Augen. Diese junge Frau wirkte so verstört und hilfsbedürftig, dass sein Ärger darüber, ein paar Tage lang eine einohrige Katze ertragen zu müssen, augenblicklich verblasste.
    Wortlos nahm er seiner Nachbarin die Plastiktüte ab und beobachtete mit zwiespältigen Gefühlen, wie seine Frau die Katze auf den Arm nahm und streichelte. Er persönlich mochte Katzen nicht, aber es wäre der falsche Zeitpunkt gewesen, dies zu sagen. Resigniert schlurfte er ins Wohnzimmer und ließ sich in den Sessel fallen. Von hier konnte er hören, wie seine Frau die Nachbarin verabschiedete und die Haustür hinter ihr schloss. Dann kam auch sie mit der Katze auf dem Arm zum Sofa.
    »Das arme Mädchen!«, sagte sie mitleidig. »Hast du gesehen, wie verzweifelt sie wirkte? Wo sie wohl heute noch hin muss? Hoffentlich ist es nichts Unangenehmes.«
    Hermskötter verdrehte die Augen und schaute in den nächsten anderthalb Stunden schweigend der Tatort -Kommissarin zu, die wie immer ihren Fall souverän löste. Es war exakt 22.15   Uhr, als er auf die Fernbedienung drücken wollte, um den Fernseher auszuschalten und nach diesem ruhigen Tag ins Bett zu gehen.
    In diesem Moment brach die Hölle los.
    Alles geschah gleichzeitig: Erst der infernalische Lärm einer Explosion, die das ganze Haus erzittern ließ wie bei einem Erdbeben. Die beiden Wohnzimmerfenster zersprangen, kleinere und größere Glasscherben flogen ihm um die Ohren. Dann traf ihn ein harter Schlag an der Stirn. Wie durch eine rote Nebelwand sah Hermskötter die kleine Katze panisch aus dem Wohnzimmer rasen, sah seine Ehefrau, die mit schreckensstarrem Blick zu ihm schaute, dann schwanden ihm die Sinne.

2
    Heute war Totensonntag. Eine treffendere Bezeichnung gab es für einen solchen Tag nicht. Eine widerlich nasskalte, graue Atmosphäre hatte sich über Paderborn gelegt und schien die Stadt erdrücken zu wollen. Dieses Gefühl jedenfalls überkam Horst Schwiete, als er nach dem Aufstehen einen vorsichtigen Blick aus dem Fenster warf. Zum Glück konnte er dem Wetter auch etwas Positives abgewinnen: Seine gemütliche, warme Wohnung hatte bei einem solchen Sauwetter eine besonders angenehme anheimelnde Atmosphäre.
    Horst Schwiete zog sich seinen Morgenmantel über, ging in die Küche und kochte sich einen Kaffee. Er legte ein Brötchen vom Vortag auf den Toaster, und nachdem es angenehm knusprig und warm war, bestrich er es dick mit Butter und Marmelade. Anschließend stellte er alles auf ein Tablett und trug es in sein Wohnzimmer. Hier setzte er sich an den Tisch vor dem großen Fenster, frühstückte in aller Ruhe und hing seinen Gedanken nach.
    Er musste an die niedrige, dunkle Wohnküche denken, die der zentrale Raum in dem alten, kleinen Fachwerkhaus seiner Kindheit in Neuenheerse gewesen war. Hier war er als Sohn eines Waldarbeiters aufgewachsen. Seine Mutter war bei seiner Geburt gestorben. Dies war wohl auch der Grund, dass der kleine Horst schon sehr früh in seinem Leben Aufgaben im Haushalt übernehmen musste. Schon mit sechs Jahren war es sein Job gewesen, morgens den Ofen anzufeuern.
    Er konnte sich noch genau an die Überwindung erinnern, die ihn das frühe Aufstehen gekostet hatte. Er hatte damals ein regelrechtes Ritual entwickelt. Jeden Morgen räumte er sich fünf Minuten ein, um sich mental auf den Zeitpunkt einzustellen, in dem er das warme Bett verlassen musste. Genau fünf Minuten! Während dieser Zeit ließ er seinen mechanischen Wecker nicht aus den Augen. Er lauschte. Tick! Tack! Tick! Tack! Und nachdem der kleine Sekundenzeiger sich fünfmal um die eigene Achse gedreht hatte, zählte Schwiete, um noch etwas Zeit zu gewinnen, laut bis zehn. Dann riss er die Bettdecke zur Seite,
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