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Totensonntag: Ein Westfalen-Krimi (Westfalen-Krimis) (German Edition)

Totensonntag: Ein Westfalen-Krimi (Westfalen-Krimis) (German Edition)

Titel: Totensonntag: Ein Westfalen-Krimi (Westfalen-Krimis) (German Edition)
Autoren: Jürgen Reitemeier , Wolfram Tewes
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Bereich vor dem Bahnhof neu gestaltet, großzügiger, moderner. Nur an die Taxifahrer hatten diese Planungsfritzen nicht gedacht. Ihr Wartebereich war so eng, dass bereits mehrfach Außenspiegel und einmal sogar schon eine Fahrertür abgefahren worden waren. Denn auch die Autos, die vom normalen Parkplatz zurück auf die Bahnhofstraße wollten, mussten sich hier durchquetschen. Von den Bussen ganz zu schweigen. Ein unhaltbarer Zustand, schimpfte Winter innerlich.
    Immerhin hatte Winter nun die Spitze der Warteschlange erreicht. Der nächste Fahrgast gehörte ihm. Hoffentlich nicht wieder so einer, der nur zwei Straßenecken weiter fahren wollte. Die brachten nichts ein, und man musste sich danach wieder ans Ende der Schlange stellen. Im Rückspiegel sah er eine Person mit einem Rollkoffer langsam näherkommen. Sie blieb beim Kollegen hinter ihm stehen und sprach ihn an. Gerade wollte Winter empört aus dem Auto springen und den Kollegen zurechtweisen, als dieser den Fahrgast an ihn weiter verwies. Winters Wutpegel war schon fast wieder komplett abgesackt, als der Fahrgast schließlich neben seinem Taxi stand: eine junge Frau, deren dicker, fellbesetzter Kapuzenmantel vor Nässe triefte. Diensteifrig sprang er aus dem Fahrzeug, riss die Heckklappe seines Mercedes auf und verstaute dort den Rollkoffer. Als er sich wieder hinter das Lenkrad klemmte, saß die Frau bereits auf dem Beifahrersitz. Sie hatte sich die Kapuze vom Kopf gezogen und lächelte ihn munter an. Hübsch war sie, fand Winter. Hübsch und selbstbewusst.
    »Zum Flughafen, bitte!«, sagte sie mit zuckersüßer Stimme. Na, das lohnt sich doch endlich mal, dachte Winter und wollte eben den Motor anwerfen. Da gab es irgendwo draußen einen lauten, dumpfen Knall. Zuerst dachte Winter an einen Autounfall auf der Bahnhofstraße. Aber da war nichts zu sehen. Im Rückspiegel erkannte er, dass einige seiner Taxikollegen aus ihren Autos stiegen und aufgeregt miteinander sprachen. Offenbar hatten auch sie den Knall gehört und waren irritiert. Als auch Winter Anzeichen machte, auszusteigen, sagte die junge Frau freundlich, aber bestimmt: »Ich habe es sehr eilig. Würden Sie bitte sofort losfahren? Vielen Dank!«
    Johnny Winter hatte bereits den Abzweig zum Heinz-Nixdorf-Ring hinter sich gelassen, als ihm die ganze Absurdität dieser Fahrt klar wurde. Er räusperte sich und sagte dann, nach einigem Zögern: »Entschuldigen Sie bitte, wenn ich frage, aber eine Stunde vor Mitternacht ist am Flughafen nichts mehr los. Ich weiß nicht mal, ob das Abfertigungsgebäude überhaupt geöffnet hat. Sind Sie sicher, dass …«
    »Ja! Bin ich!«, kam es klar und eindeutig von der jungen Frau, die schon durch ihre Körpersprache keinen Zweifel daran ließ, dass sie sich nicht unterhalten wollte, auf gar keinen Fall aber über ihr Fahrziel zu diskutieren gedachte. Sie hatte den Kragen ihres Mantels nach wie vor hochgeschlagen, als stünde sie in einem Schneesturm. Nichts an ihr konnte einem armen Taxifahrer Mut machen, eine kleine unschuldige Plauderei zu wagen, ganz zu schweigen von laut geäußerten Zweifeln an der Sinnhaftigkeit dieser Fahrt. Aber ein Thema bewegte ihn so sehr, dass er das Schweigen erneut brach.
    »Haben Sie auch dieses heftige Geräusch gehört, als Sie gerade zum Taxistand kamen? Dieses Wummern, wie bei einer Explosion? Was mag das gewesen sein? Vielleicht weiß einer der Kollegen was. Ich werde mal über Funk nachfragen. Ist das okay?«
    »Nein! Fahren Sie bitte weiter, und zwar schnell!«
    Für ein paar Sekunden war er sprachlos. Dann überlegte er, ob er sich nicht einfach über ihren Wunsch hinwegsetzen und trotzdem den Funk benutzen sollte. Aber irgendwie schüchterte diese Frau ihn ein.
    »Alles klar!«, brummte er resigniert und gab Gas. Der Regen war nun so stark, dass der Scheibenwischer trotz Schwerstarbeit den Kürzeren zog. Er war irritiert, und wenn er irritiert war, fuhr er zu schnell. Prompt knallte ihm Sekunden später das Blitzlicht einer Radaranlage ins Auge. Wütend schlug Winter aufs Lenkrad. Seine Laune war nun endgültig im Keller. Dieser verdammte Blitzer würde so viel kosten, wie die ganze Nachtschicht einbrachte!
    Aus dem Augenwinkel betrachtete er die Frau auf dem Beifahrersitz, die nach wie vor stur nach vorn schaute und so tat, als wäre er gar nicht da. Ein hübsches Profil, fand er. Und auch ansonsten war sie ziemlich attraktiv. Typisch, da hatte er ausnahmsweise mal eine hübsche Frau im Auto, und dann sprach sie kein Wort
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