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Totenseelen

Totenseelen

Titel: Totenseelen
Autoren: Birgit Lautenbach
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Professor machte Grübelfalten, legte beide Hände flach auf den Tisch und streckte die Arme durch. »Es handelt sich bei unserem Fund um menschliche Knochen, daran besteht kein Zweifel. Auch daran nicht, dass wenigstens noch Teile zweier parallel angeordneter Beine vorhanden sind, zu deren Bruchkanten diese Stücke hier passen.« Sorgfältig suchte er zwischen den Asservatentüten, die vor ihm lagen, nach der richtigen und hielt sie hoch, als müsse er seine Behauptung beweisen. »Außenknöchel rechts und ein Stück Wadenbein, wenn ich schätzen sollte, keine hundert Jahre alt. Aber ich schätze nicht, denn das wäre unwissenschaftlich. Wie viel sich sonst noch unter dem Fundament verbirgt, werden wir erst wissen, wenn wir es abgetragen haben.«
    »Das Fundament abtragen?«, fragte Böhm, als sei er begriffsstutzig.
    »Genau. Wir werden es Schicht für Schicht entfernen und dabei äußerst vorsichtig vorgehen müssen. Nicht, dass wir am Ende noch das Schädeldach oder die oberen Extremitäten verletzen, falls sie höher liegen als die Füße. Mit etwas Glück können wir so das gesamte Skelett freilegen, ohne seine Lage zu verändern oder Beweismaterial zu beschädigen. Wie es aussieht, trennt eine Erdschicht das Skelett vom Beton. Wenn das überall so ist, stehen die Chancen gut, dass wir alles dort vorfinden, wo es sich zur Zeit der Ablage befand. Knochen, Knöpfe, Gürtelschnallen, vielleicht sogar Stoffreste. Den Inhalt der Taschen möglicherweise auch. Münzen, Messer und was der Tote sonst noch an Durablem bei sich hatte.«
    »Das Haus ist jedenfalls hin, wenn wir fertig sind«, stellte Böhm lakonisch fest. Wie auf Kommando sahen alle hinüber zu den Männern der Spurensicherung, deren Werkzeug bereitlag. Auf einer festen Plane aufgereiht und nach Größen sortiert.
    »So schlimm wird es wohl nicht werden. Ein Teil der Außenwand muss weg, gewiss. Das Bad auch und die Treppe nach oben. Aber die Diele brauchen wir nur zur Hälfte, es sei denn, da unten liegt ein Zwei-Meterfünfzig-Mann. Also bleiben Küche und Stube unversehrt. Das ist doch was, oder?« Der Professor strahlte vor Zuversicht und Optimismus. Und Pieplow dachte mit viel Unbehagen darüber nach, wie er all dies Rieke Voss möglichst schonend beibringen sollte.
    »Wer bezahlt eigentlich den Schaden, den wir hier anrichten?«, fragte er Malek, der noch immer neben ihm stand, während Böhm die Staatsanwältin verabschiedete und der Professor die Südwand des Schlesinger-Hauses zum Abbruch vorbereiten ließ.
    »Der Staat, wer denn sonst«, sagte Malek gleichgültig. »Wer die Musik bestellt, bezahlt sie auch.«

    Entweder stand der hysterische Ausbruch noch bevor, oder Böhm hatte sich in Rieke Voss getäuscht. Ihr zog zwar eine fleckige Röte den Hals hinauf, und sie fächelte sich, diesmal mit einer Postkarte, hektisch Luft zu, aber sie bewahrte die Fassung.
    »Das ist jetzt nicht Ihr Ernst, oder?« Dass ihr Mund pelzig trocken war, konnte Pieplow hören und auch ein leichtes Zittern in ihrer Stimme, aber ihr Blick war eher empört als verzweifelt. »Das Bad weg? Grundgütiger! Und wieso die Treppe? Das soll wohl ein Witz sein. Ihr wollt mir das halbe Haus abreißen, um diese Leiche aus dem Keller zu holen? Und wie lange soll das dauern?«
    Wie eine Salve feuerte sie ihre Fragen auf Pieplow ab und wurde dabei immer lauter. Die roten Flecken breiteten sich vom Hals bis auf die Wangen aus, ihre Ohren schienen violett zu glühen.
    »Es ist nicht zu fassen! Da vertuscht jemand, der inzwischen längst das Zeitliche gesegnet hat oder mindestens so alt ist wie Methusalem, einen Mord, verscharrt sein Opfer in unserem Garten, und ihr macht daraus eine Art archäologisches Meisterstück. Ich bin gespannt, was als Nächstes kommt. Ich schätze, es wird ein Verdacht gegen die Schlesingers sein, aber da habt ihr Pech gehabt. Denn dafür ist es zu spät, weil nämlich alle möglichen Verdächtigen tot sind!«
    »Es steht noch gar nicht fest, dass es ein Mord war«, wandte Pieplow ein. »Solange die Gerichtsmedizin nicht einmal sagen kann, ob ein Mann oder eine Frau unter Ihrem Haus liegt, ist alles andere noch Spekulation.«
    »Ach was«, sagte sie und machte eine wegwerfende Handbewegung. »Hören Sie doch auf, mir diesen Unsinn zu servieren. Mir ist ja klar, dass Sie sich zurückhalten müssen. Wahrscheinlich dürfen Sie nicht mal das sagen, was Sie wissen. Aber meiner Phantasie sind keine Grenzen gesetzt. Ich kann spekulieren, so lange es mir passt. Man
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