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Totenruhe - Bleikammer - Phantom

Totenruhe - Bleikammer - Phantom

Titel: Totenruhe - Bleikammer - Phantom
Autoren: Martin Clauß
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schwarzes Haar floss herab und kitzelte ihn. Ihre Lippen bewegten sich träge und doch unaufhaltsam über seine Beine, seine Hüfte, seinen Bauch, seine Brust, bis sie seinen Hals erklommen, die Erhebung seines Kinns überwanden und sich in seinem Mund verbissen. Er stöhnte wohlig und dunkel, griff nach ihrer Taille, fuhr an der glatten, makellosen Haut auf und ab, spürte ihren Hüftknochen und ihren Rippen entlang. Er liebte ihre biegsame Schlankheit. Alle Assistentinnen, die er in seiner Zeit als Zauberkünstler gehabt hatte, waren so dünn gewesen wie sie. Wenn sie in den Attrappen verborgen waren, die er für seine Tricks brauchte, darauf warteten, zersägt, zerstochen oder hinfort gezaubert zu werden, waren sie leicht wie Puppen.
    Doch keine dieser Frauen war so schön und unwiderstehlich gewesen wie Charmaine Morice. Er sagte sich, dass er sie auch hätte lieben müssen, wenn sie hässlich wie die Nacht gewesen wäre, denn sie umgab eine Ausstrahlung des Friedens und der Entspannung wie keine andere. Aber er konnte sie sich nicht hässlich vorstellen. Sie war, wie sie war, und sie war Wirklichkeit.
    Wirklichkeit waren auch die Handschuhe, die sie stets trug, wenn sie sich liebten. Das gehörte zu den Regeln, die er akzeptieren musste. Ihre Berührung war etwas Besonderes – sie vermochte die Anspannung in Menschen zu lösen, sie zur Ruhe zu bringen. Charmaine weigerte sich, diese Gabe auf ihren Geliebten Konrad anzuwenden. Sie sagte, sie wolle, dass er sie ihretwegen liebte, nicht der Fähigkeit wegen. Außerdem, so erklärte sie ihm, war es nicht gut, bei der Liebe zu entspannt zu sein …
    Konrad versuchte sich selbst immer wieder davon zu überzeugen, dass sie ihm am meisten gab. Ihre Liebe und ihre Zärtlichkeit schenkte sie nur ihm, und die Intimität von Stunden wie dieser war etwas Unbezahlbares. Trotzdem beneidete er Samuel, den jungen, hübschen, reichen Burschen, dessen Nervosität sie linderte, indem sie seine Hände sanft in die ihren nahm und einfach nur festhielt, immer wieder, bisweilen mehrmals täglich.
    Nicht nur gab es keinen Hinweis darauf, dass sie jemals mit dem Jungen geschlafen hatte – Konrad wusste sogar, dass sie es nicht tat. Sie war zu keinem Betrug und zu keiner Lüge fähig, das gehörte zu ihrer Perfektion. Dennoch war es schwer hinzunehmen, wie sie Samuel etwas gab, was sie ihm nicht geben wollte.
    Der letzte Monat war turbulent verlaufen.
    Vor fünf Wochen hatten sie Schloss Falkengrund zum ersten Mal betreten (siehe Falkengrund Episode 15 „Der Zauberer und das Mädchen“) . Sie hatten eine Geistererscheinung erlebt, in der Halle, die baumelnden Beine unsichtbarer Menschen. Menschen, die an der Decke zu hängen schienen. Und damit nicht genug. Charmaine, die sie schon auf dem Weg hierher auf die unheimliche Atmosphäre hingewiesen und sie beschworen hatte, keinen Fuß in das Gebäude zu setzen, hatte einen plötzlichen Sinneswandel durchgemacht. Nachdem sie für einige Minuten in einem der Zimmer verschwunden war, hatte Konrad sie dort ohnmächtig auf dem Bett vorgefunden, und kaum war sie zu sich gekommen, flehte sie Konrad und Samuel an, das Schloss zu kaufen. Was in dieser kurzen Zeit in dem Zimmer vorgefallen war und ihre Einstellung um 180 Grad gewendet hatte, hatte Konrad bis zur Stunde nicht herausfinden können. In der Hoffnung, dass es sich nur um eine vorübergehende Verwirrung handelte, hatte er versucht, die Sache hinauszuschieben, doch der zwergenhafte Ferdinand Frödd, der im Auftrag des Eigentümers Ralf von Adlerbrunn einen Käufer für die Immobilie suchte, erneuerte sein unglaubliches Angebot von 3000 Goldmark. Samuel wurde nervös und erwarb das Schloss schließlich kurzentschlossen, ohne dass Konrad nachhelfen musste. Oder ihn umgekehrt hätte stoppen können.
    Eilig schafften Konrad und Charmaine ihre wenigen Habseligkeiten von Kassel in den Schwarzwald. Einen Teil des auf Falkengrund vorhandenen Mobiliars konnten sie verwenden, und Samuel bewilligte eine weitere Summe zur Anschaffung zusätzlicher Objekte. Er konnte nach Herzenslust aus der Hinterlassenschaft seines Vaters schöpfen, und Konrad ahnte, dass er es weniger deshalb tat, weil ihm die Idee von einer Schule des Okkulten so brillant erschien, sondern weil er Charmaine keinen Wunsch abschlagen konnte und ohnehin nicht die geringste Ahnung hatte, was er mit seinem Vermögen anfangen sollte.
    Eigentlich hätte Konrad also Grund zur Freude gehabt, denn seine größte Sorge, ihr Gönner könne
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