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Totenreise

Totenreise

Titel: Totenreise
Autoren: David Lozano Garbala
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Wächter schritten und das Tor durchquerten. Sobald die vier den Leuchtpfad dahinter erreicht hatten, schloss sich die Reihe wieder. Sie hatten es geschafft.
    ***
    Die Zeiger ihrer Taschenuhr rückten unaufhaltsam vor. Vier Uhr nachmittags. Daphne war es in der Zwischenzeit völlig gleichgültig, ob man sie auf dem Dachboden entdeckte. Sie würde sich nicht von der Stelle rühren. Erst wenn sicher wäre, dass Pascal nicht zurückkam, würde sie von der mittelalterlichen Truhe weichen, die dann für die nächsten hundert Jahre wieder nur ein einfaches Möbelstück wäre. Sie strich mit ihren Fingern über den Deckel, während sie die Truhe umrundete. Vier Uhr nachmittags. Noch war es nicht zu spät.
    Unermüdlich konzentrierte sie sich, versuchte, eine Vision zu erhaschen, um die Ereignisse vorwegzunehmen. Doch nichts passierte. Das Jenseits behielt seine Informationen für sich.
    Viertel nach vier.
    ***
    Sobald sie den rettenden Leuchtpfad des Zwischenreichs erreicht hatten, ließen sie sich auf die Knie sinken. Sie hatten das Bedürfnis, diesen Boden, von dem nichts Böses ausging, zu berühren. Sogar Michelle, die geradezu körperlich fühlte, dass sie in dieser anderen Welt nicht mehr in Gefahr war, war ihrem Beispiel gefolgt. Marc stand wie zumeist im Abstand von ihnen. »Bestimmt werden wir bald abgeholt«, bemerkte Beatrice mit einem strahlenden Lächeln. »Die Nachricht von unserer Rückkehr wird sich wie ein Lauffeuer verbreiten. Man wird uns bestimmt einen tollen Empfang bereiten …«
    In die Freude Pascals mischte sich, jetzt, wo er dem Ende seiner Mission so nahe war, zum ersten Mal die Sorge, ob wohl daheim, auf dem Dachboden von Jules, alles in Ordnung war. Seine Rückkehr war nicht nur abhängig von dem guten Ausgang seiner Mission. Er brauchte die Truhe, die intakte Dunkle Pforte, für seinen Übertritt in seine Welt. Wenn es dem Vampir womöglich gelungen war, sie zu zerstören, hätte er ein gewaltiges Problem. Er würde sich so bald wie möglich mit Daphne in Verbindung setzen, um herauszufinden, ob seine Sorge begründet war.
    Schließlich begann er zu rechnen, im Hinblick auf das Zeitlimit, das ihm für einen Besuch im Zwischenreich zustand. Er wollte sich dessen noch einmal versichern und wandte sich an seine Begleiterin.
    »Beatrice«, sagte er und unterbrach sie in ihrem Freudentaumel, »jetzt, wo wir zurück im Zwischenreich sind, fängt die Uhr doch wieder an zu ticken, oder?«
    »Genau«, bestätigte Beatrice. »Aber mach dir keine Sorgen, ihr habt Zeit genug, um in eure Welt zurückzukehren.«
    Pascal seufzte erleichtert, obwohl ihm klar war, dass hinter den beruhigenden Worten auch Beatrices Wunsch stand, die Rückkehr so lange wie möglich hinauszuzögern. Auch ihm wurde bei dem Gedanken daran schwer ums Herz.
    »Seltsam, dass nicht mehr Zeit vergangen ist, nach allem, was wir erlebt haben«, stellte Pascal fest. »Ich werde bestimmt unter Jetlag leiden, wenn wir zurück sind.«
    Beatrice lachte leise.
    »Natürlich. Was für ein abgefahrener Trip. Und denk daran, dass hier die Zeit weiter vergangen ist, auch wenn sie für dich im Reich der Finsternis eine Weile stillstand. Ich würde schätzen, dass in deiner Wirklichkeit … ungefähr zwei Tage vergangen sind.«
    »Du liebe Güte!« Pascal erschrak. »Dann muss ich so schnell wie möglich zurück. Dominique weiß bestimmt schon nicht mehr, wie er mich decken soll, damit meine Eltern nicht merken, dass ich weg bin. Wenn es ihnen nicht sowieso schon aufgefallen ist …«
    »In ein paar Stunden bist du bei ihnen«, beruhigte ihn Beatrice und wiederholte: »Mach dir keine Sorgen.«
     
    »Ich muss mich mit meinen Freunden in Verbindung setzen; sie sind bestimmt schon ganz außer sich …«
    »Was ist eigentlich mit Marc?«, unterbrach sie jetzt Michelle. Sie war so froh gewesen, ihn in der Finsternis nicht im Stich gelassen zu haben, und hätte gern gewollt, dass er teilhätte, gemeinsam mit den anderen, an der Freude über die gelungene Ankunft hier. Doch sie sah ihn nirgends. Pascal und Beatrice blickten sich verwundert um. Sie waren so daran gewöhnt, dass er immer ein wenig abseits blieb, dass sie ihn bis zu diesem Moment gar nicht vermisst hatten.
    »Seltsam«, bemerkte Beatrice, »er ist auf jeden Fall mit uns durchs Tor gegangen.«
    »Vielleicht will er ein bisschen für sich sein«, mutmaßte Pascal.
    Beatrice schüttelte den Kopf. »Um auf den Leuchtpfaden außer Sichtweite zu kommen, muss man ganz schön weit weg sein. Selbst
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