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Totenreise

Totenreise

Titel: Totenreise
Autoren: David Lozano Garbala
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wiederkehrte, ohne dass man die Richtung, aus der es kam, genau hätte bestimmen können.
    Sie standen wie angewurzelt. Niemand sagte etwas. Pascal blickte auf den Stein. Er zeigte ihm jetzt den mittleren Gang, der als einziger weiter anstieg, als den richtigen an. Und wenn genau dort die Gefahr lauerte?
    Pascal kam das Knurren außerdem vertraut vor, beunruhigend vertraut sogar. Während er sich umsah, versuchte er sich zu erinnern: die Riesenwürmer! Das war’s.
    Erneut hallte das Geräusch von den Wänden wider. Allerdings war es diesmal lauter.
    Pascal hatte keinerlei Zweifel mehr. Es handelte sich um dieselben Monster, die ihn seinerzeit angegriffen hatten; in dem weiten Raum hinter dem Badezimmerspiegel seiner Großmutter. Doch er musste den anderen gar nicht erklären, was sich ihnen da näherte, denn der Verursacher des bedrohlichen Knurrens wurde im linken Tunnel sichtbar und kam mit beträchtlicher Geschwindigkeit näher. Das war wie ein Startschuss für alle: »Durch den mittleren Tunnel, los!«, rief Pascal. »Beatrice, kannst du rennen?«
    »Ja, los!«
    Mit klopfendem Herzen ließ Pascal die anderen vorbei und stürzte dann ebenfalls los. Er hatte den transparenten Stein Michelle gegeben, damit sie die anderen führte; eine Geste, die für sie sehr wichtig war. Sie übernahm Verantwortung.
    Für Pascal war sofort klar, dass er der Letzte sein musste, weil nur er eine Waffe besaß, die den Riesenwurm vielleicht abwehren konnte. Mit knapper Not schafften sie es, dem hervorstürzenden, hungrigen Monster zu entkommen, und rannten weiter in Richtung Tunnelende. Pascal blickte über die Schulter, um die Entfernung abzuschätzen, die sie von dem Wurm trennte, und er registrierte, dass die Distanz sich rasend schnell verringerte.
    Während sie weiterhetzten, bemerkten sie auf einmal eine Veränderung. Ein schwacher Lichtschein drang zu ihnen, was nur eines bedeuten konnte: Der Ausgang aus dem unterirdischen Gang war ganz nah.
    Allerdings war der Wurm ihnen auf den Fersen, und sein Knurren vermischte sich mit dem Keuchen der Fliehenden. Alle waren sie völlig außer Atem, und die zunehmende Helligkeit gab ihnen die Kraft durchzuhalten.
    Schließlich schossen sie geradezu durch die Felsöffnung hinaus ins Freie und rollten kopfüber einen Hügel hinunter. Der Himmel in diesem noch immer feindlichen, aber vom Zentrum des Bösen weit entfernten Gebiet war wie erwartet düster, aber er wirkte friedlich auf sie. Und in nicht allzu weiter Ferne ragte ein Turm auf, den Pascal und Beatrice sofort als den Wachturm über dem Tor zum Zwischenreich erkannten. Bis auf Michelle, die nicht sogleich wusste, worum es sich bei diesem Bauwerk handelte, stimmten alle ein Triumphgeschrei an.
    Sie hatten es geschafft. Sie waren dem Monsterwurm entkommen und obendrein tatsächlich dort gelandet, wohin sie wollten. Als sie sich einigermaßen sicher fühlten, blieben sie stehen und umarmten sich gegenseitig. Michelle stellte fest, dass Beatrice sich noch immer ganz kalt anfühlte, doch es war ihr egal. Nur Marc ließ sich nach wie vor nicht anfassen und stand ein wenig abseits. Unruhig blickte er zu dem Tor in der Mauer.
    »Ganz ruhig, gleich haben wir’s geschafft«, versuchte Pascal ihn zu beruhigen. »Das Schlimmste ist vorbei. Du bist bald wieder zu Hause.«
    Marc antwortete nicht, und Pascal folgte seinem Blick zum dunklen Horizont, wo die Grenze zwischen dem Bösen und dem Zwischenreich lag. Zwei getrennte Welten, deren einziger Zugang von der Welt der Lebenden von Charon und seinem schrecklichen Hund mit den drei Köpfen bewacht wurde. Doch der Wanderer durfte passieren. Pascal lächelte zufrieden. Es gab so viel, was er Michelle erzählen wollte.
    Doch zuerst musste er in seine Welt zurück, das Zeitlimit durfte nicht überschritten werden.
    Er ließ den Blick weiterschweifen. Er tat es ohne bestimmten Grund, vielleicht nur als eine Art Abschied von dieser Dimension, die er für immer verlassen wollte. Doch was er plötzlich sah, riss ihn jäh aus seinen Gedanken: In der Ferne konnte er zahlreiche Silhouetten ausmachen, die größer und größer wurden. Er schluckte. Sie kamen näher, und zwar mit atemberaubender Geschwindigkeit.
    Pascal merkte, wie ihm das Herz bis zum Hals schlug. Die Gefahr für sie alle war noch nicht vorüber. Noch waren sie nicht in Sicherheit. Er kniff die Augen zusammen und erkannte, dass sich die Schar mit plumpen Bewegungen und dicht an dicht wie eine Herde vorwärtsbewegte. Es waren Ghule.
    »Wir
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