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Totenreigen

Totenreigen

Titel: Totenreigen
Autoren: Dietmar Lykk
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Pfahlmuscheln«, sagte Lüthje. »Früher haben
wir gesagt, dass dann ein großer Sturm kommt. Meine Frau und ich sammeln sie
jedes Mal, wenn wir in Laboe sind. Auch diese hier.« Er hielt Schackhaven eine
Herzmuschel vor das versteinerte Gesicht. »Meine Frau bewahrt sie in
verschlossenen Glasgefäßen auf. Die Algen daran müssen natürlich vorher
entfernt werden, das stinkt sonst gewaltig«, sagte Lüthje. »Der salzige Duft
des Meeres bleibt im Glasgefäß erhalten, sooft Sie daran schnuppern.
Lebenslang. Das würde Ihrer Frau bestimmt auch gefallen.«
    »Warum weichen Sie mir ständig aus?«, fragte Schackhaven
unvermittelt. Er blieb einen Atemzug lang stehen, um dann sofort weiterzugehen.
Immer noch die Hände in den Hosentaschen, als ob er frieren würde. »Ich weiß,
dass Herr Malbek Sie angerufen hat und dass er Ihnen erzählt hat, dass ich Sie
als seine Urlaubsvertretung haben will.«
    Er hat es Malbek erzählt, damit Malbek es mir gegenüber ausplaudert,
dachte Lüthje, damit ich Zeit habe, darüber nachzudenken. Und nicht den
Überraschten spielen kann, der lange Bedenkzeit braucht. Das war Schackhavens
Taktik.
    »Malbek hat mir nichts dergleichen erzählt«, sagte Lüthje. Mal
sehen, ob das Gespräch abgehört worden ist. Sie standen sich jetzt gegenüber.
Wer sie beobachtete, würde von Weitem erkennen, dass sie sich stritten. »Wir
haben uns nur über den Mann mit dem blutigen Mantel unterhalten, ob er
vernehmungsfähig ist. Und dass Malbek noch immer nicht weiß, wer die
Urlaubsvertretung übernimmt. Wir haben uns gefragt, ob Sie es nicht selbst
machen wollen.«
    »Ich? Gern, wenn ich die Zeit dafür hätte«, sagte Schackhaven.
    »Ich habe nicht den Eindruck, dass es um den Job der
Urlaubsvertretung geht«, sagte Lüthje. »Es geht um den Fall des Manns mit dem
blutigen Mantel und das, was in dem Haus da ist.« Er deutete nach oben zur
Strandstraße. »Also legen Sie los. Ich will endlich wissen, warum Sie so ein
Theater wegen der Sache machen.«
    Schackhaven sah ihn einen Moment scharf an. Er griff sich kurz an
den Kieler-Woche-Schlips und rückte seine Brille zurecht. »Betrachten Sie sich
nicht als Urlaubsvertretung, sondern als Leiter einer Ermittlungsgruppe.«
    »Ermittlungsgruppe?«, fragte Lüthje.
    »Es steht Ihnen frei, wie Sie sie personell ausstatten. Ich denke da
neben den Mitarbeitern von Herrn Malbek auch an Ihre beiden Flensburger
Mitarbeiter. Herr Miesbach meinte, es würde im Moment in Flensburg keinen
Engpass verursachen.«
    »Und die sollen dann alle Laboer befragen?«, fragte Lüthje
ungläubig.
    Schackhaven nahm die Frage ernst. »Vielleicht brauchen Sie noch mehr
Leute.«
    »Ich meine eigentlich nicht das Wie ,
sondern Warum. Warum eine Ermittlungsgruppe?«, sagte
Lüthje.
    »Dieses Haus ist nach den bisherigen Erkenntnissen dieses Vormittags
Schauplatz eines Mordes«, sagte Schackhaven in seiner neuen Stakkatostimme.
»Und der Mann mit dem blutigen Mantel ist wahrscheinlich Zeuge dieses Mordes
gewesen. Ich gebe zu, das allein wäre Routine für uns. Das Problem ist die
Adresse. Die Strandstraße in Laboe, die Nähe zum Marine-Ehrenmal Laboe, ist die
große Komplikation. Ich bin hier, weil ich mir sofort ein Bild machen musste.
Und sofort mit Ihnen sprechen wollte. Damit Sie sofort an die Arbeit gehen
können. Ich möchte, dass die Spurensicherung ihre Arbeiten im Außenbereich bis
morgen beendet hat. Nachts, mit Scheinwerfern, darf auf keinen Fall gearbeitet
werden.«
    »Warum nicht?« Es wird sich wahrscheinlich nicht umgehen lassen,
dachte Lüthje.
    »Weil das die Presse auf den Plan rufen würde. Bei der
Opernaufführung am Ende der Kieler Woche werden wichtige Gäste anwesend sein.
Der Presse ist durch eine allgemein gehaltene Formulierung im
Kieler-Woche-Programm bekannt, dass sich ein paar Diplomaten ein paar Tage an
der Förde aufhalten werden. Mehr nicht. So etwas geht erfahrungsgemäß im Trubel
der Events und Termine unter. Wenn die Presse von dem Mord in der Nähe des
Laboer Marine-Ehrenmals erfährt, werden Zusammenhänge konstruiert.«
    »Ist das alles?«, fragte Lüthje.
    Schackhaven sah ihn entsetzt an.
    »Nun kommen Sie schon, Herr Schackhaven«, sagte Lüthje und blieb
stehen. »Sie benehmen sich wie ein Zeuge mit schlechtem Gewissen. ›Wichtige
Gäste‹ während der Kieler Woche, ein Mord in einem Dorf, das lockt doch keinen
Journalisten vom Büfett. Da muss doch mehr dahinterstecken. Seien Sie ehrlich!
Wenn ich nicht mehr erfahre, kann ich das hier nicht
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