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Totenmond

Totenmond

Titel: Totenmond
Autoren: Sven Koch
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einem Sprung rettete sich Alex zur Seite und riss nun auch den zweiten Schaukasten um. Er zerbrach in tausend Teile, als er auftraf. Geduckt wandte sich Alex zu Berner. Das Herz schlug ihr bis zum Hals.
    Berner vollführte einen schrecklichen Tanz mit den zwei Mumien, die auf ihn gefallen waren und die er von sich abschütteln wollte.
    Alex machte einen Satz nach vorne, wo sich der kleine Haufen mit ihrer Kleidung befand. Dort lag auch die Glock, durchgeladen und mit einem randvollen Magazin. Versehentlich stieß Alex mit dem Fuß gegen eine der Kerzen, die heißes Wachs gegen ihren Schenkel spritzte. Sie schrie auf und trat in eine wächserne Pfütze, rutschte aus, verlor das Gleichgewicht und kam zu Fall.
    Hart schlug sie mit dem Musikantenknochen auf dem Boden auf. Die Welt explodierte in gleißendem Weiß. Ihr wurde schlagartig schlecht und schwindelig. Einen Moment lang befürchtete sie, ohnmächtig zu werden. Aber schon im nächsten sah sie Berner zwischen den hellen Punkten vor ihren Augen. Er hatte sich von den Mumien befreit und presste sich eine Hand in die Halsbeuge. Hasserfüllt blickte er zu Alex.
    Hektisch wandte sie sich zu dem Kleiderhaufen. Da war ihre Jacke. Sie warf sie zur Seite. Ihre Jeans. Sie schob sie weg. Darunter sah sie endlich das kalte Licht des Tactical-Light-Aufsatzes der Glock. Mit den Fingerspitzen griff sie nach der Waffe.
    Berner schrie und kreischte. Dann bückte er sich, griff nach einer seiner Klauen und stürzte auf Alex zu. Das gab Alex genug Zeit, um den Knauf der Glock zu fassen zu bekommen. Sie riss die Pistole herum. Berner hob die Klaue an, um sie in hohem Bogen auf Alex niedersausen zu lassen. Alex’ Fingerspitze legte sich auf den Sicherungsknopf am Abzug. Das Xenonlicht strahlte mitten in Berners blutüberströmtes Gesicht. Er sah überrascht aus.
    Alex schoss ihm in den Kopf. Zwei weitere Schüsse trafen seinen Körper. Die Wucht schleuderte Berner durch den Raum, bis er einknickte und in dem Kreis aus Kerzen zu Boden fiel.
    Das Echo der drei Schüsse hallte durch das Museum. Es klingelte in Alex’ Ohren. Die Luft stank nach Pulverdampf. Alex senkte die Waffe und drehte sich über die Schulter um.
    Mia!
    Alex sprang auf und hastete zu dem Mädchen. Mia zitterte am ganzen Leib. Alex riss ihr den Klebestreifen vom Mund. Mia sog die Luft tief ein.
    »O Gott!«, rief sie. Ihre Stimme überschlug sich.
    Hastig löste Alex die Klebestreifen, mit denen das Mädchen an die Stuhllehne gefesselt war, danach die von ihren Fußgelenken. Sie fasste Mia unter den Armbeugen und half ihr behutsam, aufzustehen. Sie klammerte sich wie eine Ertrinkende an Alex fest und schlang die Arme um sie.
    »Ist es vorbei?«, schluchzte Mia hemmungslos. »Ist es vorbei?« Ihr eiskalter Körper wurde von einem Weinkrampf geschüttelt.
    »Es ist vorbei«, flüsterte Alex. Sie strich Mia über den Rücken, durch die Haare, nahm sie fest in die Arme. »Es ist vorbei.«
    »Er wollte uns beide töten. Er wollte dich für mich töten! Du wolltest dich für mich umbringen lassen!«
    »Schhhhh«, machte Alex und wischte Mia über die nassen Wangen. »Es ist vorbei. Okay?«
    Mia nickte zitternd. »Okay.« Sie schniefte.
    »Komm, wir sollten uns etwas anziehen.«
    Mit Mia im Arm ging Alex durch den Kerzenkreis, vorbei an Berners Leiche. Sie beugte sich nach unten, um ein paar von den Sachen aufzunehmen, die sie eben vor Berner hatte ausziehen müssen. Die Jacke legte sie um Mias Schultern. »Die anderen werden sicher gleich da sein.«
    Mit einem Mal wichen die Anspannung und das Adrenalin aus ihr. Sie stützte sich an der Wand ab, bevor ihre Knie nachgaben.
    »Wer war der Mann?«, fragte Mia.
    »Nur ein Scheißkerl«, flüsterte Alex. Ihr wurde schwarz vor Augen. »Nur ein Scheißkerl.«

86.
    D em Sturm war Tauwetter gefolgt. Heute glich der Himmel einer blaubemalten Leinwand, in deren Zentrum eine aufgeklebte Spiegelscherbe funkelte. Das Sonnenlicht und die warmen Temperaturen hatten die Schneemassen innerhalb eines Tages in Wasser verwandelt, das sich seinen Weg über die Straßen und Wege suchte, in Bäche und Flüsse strömte, sich in die Kanalisation ergoss und den Winter wegspülte, als habe es ihn nie gegeben. Nur vereinzelte schmutzig braune Haufen zeugten noch davon, dass er einmal existiert hatte.
    Alex bog mit dem Mini ab, hielt Ausschau nach einer Parklücke und war schließlich erfolgreich. Sie stieg aus, um ein Kurzparkticket zu ziehen. Die Schnittwunden auf dem Rücken schmerzten, wenn sie
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