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Totenklage

Totenklage

Titel: Totenklage
Autoren: Harry Bingham
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Ich habe ja auch einen. Einen richtigen Schock. Mit » extremer psychischer oder traumatischer Belastung« und Ereignis und allem. Schön, wenn man mal Symptome wie aus dem Lehrbuch hat. Genau so, wie es Lev und Axelsen und Wikipedia behaupten. Obwohl ich schon mein ganzes Leben lang so etwas wie einen Schock habe und mich nicht erinnern kann, irgendwann mal nicht schockiert gewesen zu sein. Einen richtigen Schock zu haben und deshalb die nötige Unterstützung zu bekommen ist eine riesige Erleichterung. Eine weitere Etappe auf meiner Reise zum Planeten der normalen Menschen. Dieses Mal gibt es tatsächlich einen Grund, weshalb ich mich so komisch fühle.
    Um fünf Uhr schaut Dave Brydon vorbei. Das schöne Wetter der letzten zwei Wochen ist durch den Wolkenbruch aus Pembrokeshire wie weggewischt. Draußen ist es kalt und windig. Seit dem Vorfall in Haverfordwest habe ich die Sonne nicht mehr gesehen. Ich habe die Heizung angemacht und den Thermostat auf vierundzwanzig Grad eingestellt.
    Brydon hat ein paar Plastiktüten dabei: Schokolade für mich, Bier für ihn, Fertigfutter für uns beide. Ich liege unter einer Decke auf dem Sofa und schaue mit Begeisterung das Kinderprogramm. Gerade geht es um einen pummeligen Igel, der zu dick ist, um sich zu einer Kugel zusammenzurollen, und ich will wirklich wissen, wie es ausgeht.
    Aber ich bin ja erwachsen und habe den ganzen Tag noch nicht viel getan. Ich schalte den Fernseher aus, und wir küssen uns.
    Die Bandbreite seiner Küsse überrascht mich immer noch. Gerade punktet er ordentlich in der Disziplin zärtliche Küsse. Da liegt keiner unter 5,8 oder 5,9.
    Wir plaudern eine Weile. Er erzählt mir, wie es mit Lohan weitergeht. Es ist keine Ermittlung mehr, sondern eine große Reinemachaktion. Angesichts dessen, was wir im Leuchtturm vorgefunden haben, wird kein Gericht zögern, Durchsuchungsbefehle für alles auszustellen, was Jackson auch immer durchsuchen will. Die Spurensicherung hat den Leuchtturm zur Chefsache gemacht. Das Hauptaugenmerk liegt auf der Identifizierung der Freier, die dort zugange waren und dabei DNA -Spuren hinterlassen haben. Cefn Mawr stellen sie ebenfalls auf den Kopf, obwohl sie dort höchstwahrscheinlich nichts finden werden. Trotzdem finde ich die Vorstellung, wie Mrs Edelstahl darauf reagieren wird, höchst amüsant. Ich hoffe, sie weiß, dass ich dafür verantwortlich bin. Charlotte Rattigan dagegen tut mir leid. Ich bin zwar nicht so recht warm mit ihr geworden, dennoch gehört sie auf die Liste der Opfer. Und es ist eine lange Liste.
    Die Frauen aus dem Leuchtturm erhalten Einzeltherapie. Bryony Williams ist mit von der Partie. Sie zeigt den Frauen Fotos, damit sie die Männer identifizieren können, die sie vergewaltigt haben. Das wird eine Weile dauern – es sind eine Menge Fotos und eine Menge Fragen.
    Ich gebe zu Protokoll, aus zuverlässiger Quelle zu wissen, dass der Parlamentsabgeordnete Piers Ivor Harris an den Verbrechen beteiligt war. Das ist glatt gelogen. Obwohl ich Penry glaube, wenn er behauptet, dass Harris von Rattigans kleinem Hobby wusste. Es wusste und schwieg. Leider können weder Penry noch ich mit Sicherheit sagen, dass er tatsächlich an den Verbrechen beteiligt war. Ich nenne Harris’ Namen nur, um ihn einzuschüchtern und ihm das Leben so schwer wie möglich zu machen. Wenn es tatsächlich eine Verbindung zwischen Harris und dem Leuchtturm gibt, dann umso besser. Oder zwischen Rattigans anderen Freunden und dem Leuchtturm. Jeder, der einen Fuß in dieses Gebäude gesetzt und nicht die Polizei gerufen hat, verdient es, bis zum Ende seiner Tage im Gefängnis zu schmoren.
    Penry kann ich nicht entlasten. Sein Schweigen war so tödlich wie das der anderen. Unterlassungsdelikt – das hört sich vor Gericht zwar harmlos an, hat aber trotzdem dafür gesorgt, dass Menschen mit Isolierband umwickelt und mit Betonsteinen beschwert in der Irischen See versenkt wurden. Nur zwei Tatsachen lassen ihn in einem besseren Licht als die anderen Verbrecher erscheinen: Erstens hat er mir Stein und Bein geschworen, nichts von den Morden zu wissen. Er wusste vom Menschenhandel, von den Vergewaltigungen, den Prügeln und Schlimmerem. Vom Rest hatte er keine Ahnung. Das glaube ich ihm. Und zweitens hat er mich auf typische Penry-Art auf die richtige Spur gebracht. Von allen, die in diese Geschichte verwickelt sind, war er der Einzige, der etwas unternommen hat.
    Wenn bei den laufenden Ermittlungen Penrys Rolle ans Licht kommt, wird er
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