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Totenklage

Totenklage

Titel: Totenklage
Autoren: Harry Bingham
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zurechtgekommen wäre.«
    » Das glaube ich auch. Das war ein Gemetzel. Ein richtiges Gemetzel.« Er kichert, dann wechselt er das Thema. » Janet Mancini. Glauben Sie, dass sie auch dort war und fliehen konnte? Oder sich irgendwie anders retten konnte?«
    » Ich rate jetzt mal drauflos«, sage ich. » Ich bin mir ziemlich sicher, dass der Leuchtturm nur für Importware bestimmt war. Ich glaube, dass Rattigan irgendwann mal mit Mancini geschlafen hat – vielleicht mehrmals –, aber das war in Cardiff, an dem Ort, an dem sie üblicherweise ihre Klienten empfangen hat. Er war möglicherweise high, hat zu viel geredet. Vielleicht hatte sie es ihm angetan. Um ehrlich zu sein, glaube ich, dass er sie gemocht hat. Sonst hätte er ihr das alles nicht erzählt. Er hat seine Kreditkarte in ihrer Wohnung vergessen, und sie hat sie als Souvenir behalten. Ihr Klient, der Millionär.«
    » Vielleicht auch, um ihn damit zu erpressen.«
    » Oder um damit auf Shoppingtour zu gehen – nur dass sie vorher die Nerven verloren hat. Wäre alles möglich.«
    » Schade, dass er schon tot ist«, sagt Jackson. » Es wäre mir eine große Freude gewesen, ihn ins Gefängnis zu stecken.«
    » Ja. Ja, mir auch.«
    Ich mühe mich damit ab, eine weitere Gabel voll Bohnen hinunterzuwürgen, bis Jackson mir den Teller wegzieht und ich nicht mehr so tun muss, als würde ich etwas essen, was gar nicht gegessen werden will.
    » Fiona, wenn so etwas noch mal vorkommt, dann informieren Sie mich rechtzeitig. Egal, ob es nur Gerüchte oder Hörensagen ist. Wenn Sie es glauben, dann glaube ich es auch. Aber keine eigenmächtigen Aktionen mehr, solange Sie meinem Kommando unterstehen, niemals, unter keinen Umständen. Haben Sie das verstanden?«
    » Jawohl, Sir.«
    » Trotzdem gute Arbeit. Ich weiß nicht, wie oft Sie heute gegen die Regeln verstoßen haben, und ich hoffe bei Gott, dass ich es nie herausfinden werde. Aber Sie haben auch Leben gerettet. Und dafür werde ich Sie ganz sicher nicht zusammenscheißen. Gute Arbeit.«
    Jetzt sollte ich eigentlich etwas antworten, aber mir fällt beim besten Willen nichts ein. Jacksons Handy klingelt, und er geht ran. Er gibt jemandem eine Wegbeschreibung zum Café. Ich höre gar nicht richtig hin. Irgendwie stehe ich neben mir. Am vernünftigsten wäre es, jetzt nach Hause zu fahren und mich hinzulegen. Und sich auf dem Heimweg ans Tempolimit zu halten. Ich bin sowieso zu müde, um schnell zu fahren.
    Einen Augenblick später richtet sich Jackson in seinem Stuhl auf.
    » Sieh einer an. Wenn das nicht Ihr Taxi nach Hause ist.«
    Ich sehe Dave Brydon, der mit seinem ganz speziellen Gang das Café betritt. Schwere und gleichzeitig leichte Schritte, schwer und leicht. Er sieht sich nach mir um. Er wirkt besorgt. Jackson nimmt mir die Autoschlüssel ab und verspricht mir, dass er den Wagen vor meinem Haus abstellen wird. Dann steckt er mich in Brydons Auto.
    » Alles in Ordnung, Schatz?«, fragt Brydon, während er mich anschnallt.
    » Hast du mich gerade › Schatz‹ genannt?«
    » Ja.«
    » Dann ist alles in Ordnung. Mir geht’s prima.«
    Von Westen her ziehen die Regenwolken auf, die der Wetterbericht vorhergesagt hat. Ein richtiger Wolkenbruch, bei dem dicke Tropfen gegen die Windschutzscheibe klatschen, die Straße unter Wasser steht und man selbst mit voll eingeschalteten Scheibenwischern kaum mehr als zehn Meter sehen kann. Aber das ist mir egal. Ich schlafe schon fast. Sicher wie in Abrahams Schoß. Und David Brydon hat mich » Schatz« genannt.

47
    Eineinhalb Tage später. Ich habe Urlaub. Ich habe so lange Urlaub, wie ich will. Auf Jacksons ausdrücklichen Befehl hin sind meine einzigen Pflichten essen, schlafen und wieder zu Kräften zu kommen.
    Ab und zu kommt jemand vom Ermittlungsteam vorbei und fragt mich irgendwas über irgendwas. Ich antworte, so gut es geht. Manche Dinge dürfen sie gerne wissen, andere will oder kann ich nicht erzählen. Eigentlich sind es zwei Ermittlungen. Zum einen muss Operation Lohan abgeschlossen werden, zum anderen hat sich die Dienstaufsichtsbehörde eingeschaltet, die immer dann aktiv wird, wenn ein Polizeibeamter eine Waffe abfeuert und damit jemanden verletzt oder tötet. Noch habe ich nichts zu befürchten, aber es war gut, dass Jackson alles vorher mit mir durchgegangen ist. Diese Leute nehmen ihren Job sehr ernst.
    Ich stelle mich nicht besonders geschickt an, vermassle es allerdings auch nicht. Der Schock ist meine beste Entschuldigung. Na ja, warum auch nicht?
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