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Totenhaut

Titel: Totenhaut
Autoren: Chris Simms
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Gesicht.
    »Sind Sie Mitglied?«
    »Wie bitte?« Sie konnte seine Kaltschnäuzigkeit nicht fassen.
    »Haben Sie Ihre Mitgliedskarte dabei?«
    Sie schloss die Augen. »Ich möchte nur Ihre Toilette benutzen.«
    »Eintritt nur für Mitglieder.«
    Sie öffnete die Augen, sah den Ausdruck unverhohlenen Abscheus. Plötzlich übermannte sie die Scham, und sie wandte sich ab. Auf der anderen Seite des Parkplatzes gab es ein Motel, dessen Neonschild mit Zimmern für 39,95 Pfund pro Nacht warb. Sie überquerte die Asphaltfläche, bemüht, wenigstens in ihrem Gang noch ein wenig Würde zu bewahren.
    Durch eine Lücke in der niedrigen Hecke, die die beiden Grundstücke voneinander trennte, schlüpfte sie auf einen dunklen, leeren Parkplatz. Direkt hinter dem Gebäude konnte sie gerade noch die Windhundrennbahn ausmachen, die nicht eingeschaltete Flutlichtanlage ragte in die Finsternis. Sie stieß die Eingangstür des Motels auf. Sofort fiel ihr Blick auf den von Kippen überquellenden Aschenbecher auf dem Empfangstresen. Neben ihr gab es einen Ständer mit Prospekten. »Touristenattraktionen in Manchester« verkündete die Karte ganz oben, aber die darunterliegenden Fächer waren leer.
    Sie drückte auf die Klingel und legte gleich darauf die Hand über die Metallkuppel, um das laute Echo zu unterdrücken. Die Bürotür öffnete sich ein Stück, und eine dünne Frau mit langem, kraftlosem Haar schob sich durch den Schlitz. Ihr blasses, schmales Gesicht betonte die großen braunen Augen, die hin und her huschten wie die eines ängstlichen Rehs.
    Sie erinnerte die Frau, die gerade vom Parkplatz hereingekommen war, sofort an ein Mädchen aus ihrer Schule.
    Es stammte aus einem armen Elternhaus und hatte immer Schuluniformen aus zweiter Hand und Schuhe vom Wohltätigkeitsbasar getragen. Nie hatte sie es in Strumpfhosen gesehen, wenn es kalt war, waren seine dürren Beine beinahe blau gefroren. Das Mädchen hatte ständig eine Triefnase – im Winter wegen der Kälte, im Sommer wegen des Heuschnupfens. Deshalb lief es ständig mit einem Taschentuch vor dem Gesicht herum, und auf dem Schulhof wurde gewitzelt, das Mädchen sei deshalb so dünn, weil es so viel Flüssigkeit durch die Nase verlor. Sie machte eine Geste in Richtung der inneren Türen.
    »Ich muss mich kurz sauber machen. Darf ich Ihre Toilette benutzen? Bitte?«
    Der Blick der Rezeptionistin wanderte zur Tür hinter dem Rücken der anderen, als erwarte sie mehr als nur eine einzelne Frau. »Menschenskind, Sie brauchen aber mehr als ein Waschbecken.« Sie ging zurück ins Büro und kam sofort wieder mit einem grünen Erste-Hilfe-Koffer zurück. »Hier. Ich glaube nicht, dass den schon mal jemand benutzt hat. Ich bin ziemlich sicher, dass da noch alles drin ist.«
    Sie stellte ihn auf den Tresen und klappte den Deckel auf. Darin lagen Verbände, Pflaster, Sicherheitsnadeln, antiseptische Salbe und eine Schere mit abgerundeten Spitzen. »Die Toiletten sind gleich dort hinter der Tür. Waschen Sie sich das Blut ab, dann flicken wir Sie zusammen.«
    »Danke.«
    Die Toilettentür klemmte, und dahinter roch es fürchterlich. Sie trat vor den Spiegel und besah sich ängstlich das Gesicht. Du liebe Güte. Das rechte Auge war halb zugeschwollen, getrocknetes Blut klebte auf der Wange und bedeckte die Augenbraue. Die aufgerissene Haut hatte wieder zu bluten begonnen, und das Blut tropfte ihr in die Wimpern. Sie sah sich nach Papierhandtüchern um, doch der Spender war leer. Ebenso die Klopapierrollenhalter in den ersten beiden Kabinen. In der dritten gab es noch einen kleinen Stapel Tücher auf dem Spülkasten.
    Fünf Minuten später betrat sie wieder die Rezeption. Sie hielt ein Tuch auf die Augenbraue gepresst. »Es will einfach nicht aufhören zu bluten.«
    Die Rezeptionistin runzelte voll Mitgefühl die Stirn.
    »War’s ein Freier?«
    »Wie bitte?«
    »Ihr Gesicht? War das …?«
    Ihr Handy klingelte. Sie zog es aus der Handtasche und las den Namen ihres Mannes auf der Anzeige. Sie schaltete es aus und ließ es wieder in die Tasche fallen.
    »Jeff. Mein Mann.« Das Eingeständnis trieb ihr die Tränen in die Augen.
    Die Züge der Rezeptionistin wurden noch weicher. »Lassen Sie mich Ihr Gesicht mal ansehen, Sie Ärmste.«
    »Das müssen Sie wirklich nicht. Ich kann das schon selbst.«
    Die Rezeptionistin betrachtete die Risswunde genauer.
    »Diese Klammerpflaster wären vielleicht das Richtige.«
    Sie strich antiseptische Salbe auf die Wunde und klebte dann zwei Pflaster
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