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Totengrund

Totengrund

Titel: Totengrund
Autoren: Tess Gerritsen
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eingehüllt in einen blendend weißen Schleier. Hier, an dieser Kurve, hatten sie zum ersten Mal von Umkehren gesprochen. Hätten sie es doch nur getan. Wie anders wäre alles verlaufen, wenn sie damals einfach ins Tal zurückgefahren wären, wenn sie sich entschlossen hätten, nach Jackson zurückzukehren. Sie hätten vielleicht in einem netten Lokal zu Mittag gegessen, hätten sich verabschiedet, und dann hätte jeder sein Leben weitergelebt. Vielleicht gab es irgendwo ein Paralleluniversum, in dem sie sich so entschieden hatten, und in diesem Universum waren Doug und Grace und Arlo und Elaine noch am Leben.
    Vor ihnen tauchte das Schild vor dem Privatweg auf. Keine Schneeverwehungen versperrten heute den Weg, auch keine Kette und kein Tor. Jane bog ab, und Maura erinnerte sich, wie sie an diesen Kiefern vorbei durch den Schnee gestapft waren. Doug voran, dann Arlo, der Elaines Rollkoffer hinter sich herzog. Sie erinnerte sich an das Prickeln des aufgewirbelten Schnees in ihrem Gesicht und an die Dunkelheit, die sich auf sie herabgesenkt hatte.
    Die Geister waren auch hier.
    Der Wagen passierte das Ortsschild von Kingdom Come, und als sie die Straße ins Tal hinunterfuhren, erblickte Maura die verkohlten Grundmauern, das ausgehobene Massengrab. Fetzen von Polizei-Absperrband lagen auf dem Feld herum und flatterten im Wind, bunte Farbtupfer im Schnee.
    Die Reifen von Janes Wagen rollten knirschend übers Eis, als sie sich der ersten Ruine näherten.
    »Die Leichen wurden dort drüben gefunden; sie waren alle zusammen verscharrt worden«, sagte Jane und deutete auf die Grube, die wie eine klaffende Wunde in dem schneebedeckten Feld lag. »Wenn es hier noch irgendetwas zu entdecken gibt, wird es erst im Frühjahr ans Tageslicht kommen.«
    Maura stieß die Tür auf und stieg aus.
    »Wo willst du hin?«, fragte Jane.
    »Einen Spaziergang machen.« Maura ging zum Kofferraum und nahm die Schaufel heraus, die sie zuvor in einem Baumarkt gekauft hatte.
    »Ich hab dir doch gesagt, dass sie dieses Feld schon gründlich abgesucht haben.«
    »Aber haben sie auch im Wald gesucht?« Mit der Schaufel in der Hand schritt Maura die doppelte Reihe von abgebrannten Häusern entlang. Das Eis knackte und knirschte unter ihren Sohlen, als sie sich umschaute und überall die Spuren entdeckte, die der Suchtrupp der Polizei hinterlassen hatte, vom zertrampelten Schnee über die zahlreichen Reifenspuren bis hin zu den Zigarettenkippen und den Papierfetzen, die im Schnee herumlagen. Die Sonne ging bereits unter, und das Tageslicht schwand rapide. Sie schritt jetzt schneller aus, ließ das abgebrannte Dorf hinter sich und steuerte den Waldrand an.
    »Wart auf mich!«, rief Jane.
    Sie konnte sich nicht erinnern, wo genau sie mit Rat in den Wald hineingegangen war. Die Spuren ihrer Schneeschuhe waren längst unter neuen Schneemassen verschwunden. Sie ging weiter in die ungefähre Richtung, die sie eingeschlagen hatten, als sie vor den Männern und dem Bluthund geflohen waren. Diesmal hatte sie keine Schneeschuhe dabei, und jeder Schritt war Schwerstarbeit, als sie sich durch knietiefe Verwehungen kämpfte. Sie hörte Jane hinter sich lauthals protestieren, doch Maura schleppte sich mit ihrer Schaufel unverdrossen weiter, obwohl ihr Herz schon vor Anstrengung pochte. War sie zu weit in den Wald hineingegangen? Hatte sie die Stelle verfehlt?
    Dann tat sich eine Lücke zwischen den Bäumen auf, und vor ihr erstreckte sich die Lichtung, übersät mit den kleinen Schneehügeln, unter denen sich Bauschutt verbarg. Der Bagger stand immer noch am anderen Ende, und sie sah das nackte Balkenwerk der im Bau befindlichen neuen Häuser. Hier war die Stelle, wo sie gestürzt war, wo sie in einer tiefen Schneewehe stecken geblieben war. Hier hatte sie hilflos gelegen, während der Bluthund immer näher gekommen war. Sie sah es alles wieder vor sich, und die Erinnerung jagte ihren Puls in die Höhe. Der Bluthund, der sich auf sie stürzte. Und dann sein überraschtes Aufjaulen, als Bear ihn mitten im Sprung abfing.
    Sämtliche Spuren des Kampfs der beiden Hunde waren unter dem Neuschnee verschwunden, doch sie konnte noch die Mulde im Schnee erkennen, wo sie gefallen war, konnte die hügeligen Konturen der Bauabfälle unter der weißen Decke ausmachen.
    Sie stieß ihre Schaufel in einen der Hügel und warf eine Ladung Schnee beiseite.
    Jane hatte sie endlich eingeholt und stapfte keuchend über die Lichtung. »Warum gräbst du hier?«
    »Ich habe hier damals
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