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Totengrund

Totengrund

Titel: Totengrund
Autoren: Tess Gerritsen
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mehr Spaß machen, als du glaubst, wenn du dir einmal klarmachst, dass es da um Menschen geht und nicht nur um langweilige Daten und Verträge. Wir sind eine ganz besondere Schule, und die Umgebung ist auch etwas Besonderes. Jede Menge Wiesen und Wälder – du kannst sogar deinen Hund mitnehmen, wenn du magst. Er heißt Bear, nicht wahr?«
    »Ja, Ma’am.«
    »Wir haben auch eine Bibliothek, um die uns jedes College beneiden würde. Und Lehrerinnen und Lehrer aus der ganzen Welt, die zu den Besten auf ihrem Gebiet zählen. Es ist eine Schule für Schüler mit besonderen Talenten.«
    Er wusste nicht, was er sagen sollte. Er sah Gorchinski und Beverly an, die beide nickten.
    »Denkst du, dass eine Schule wie Evensong dich interessieren könnte?«, fragte Lily. »Wäre das etwas für dich?«
    »Entschuldigen Sie, Ma’am«, sagte Julian. »Sind Sie sicher, dass Sie mit dem richtigen Perkins sprechen? Es gibt noch einen Billy Perkins an dieser Schule.«
    Die Augen der Frau blitzten amüsiert. »Ich bin ganz sicher, dass ich den richtigen Perkins vor mir habe. Wie kommst du darauf, dass du nicht der bist, den wir meinen?«
    Julian seufzte. »Um ehrlich zu sein, meine Noten sind nicht so toll.«
    »Ich weiß. Wir haben uns dein Zeugnis angeschaut.«
    Wieder ging sein Blick zu Beverly. Er fragte sich, wo der Haken war. Warum ihm ein solches Privileg angeboten wurde.
    »Es ist eine großartige Chance«, sagte seine Betreuerin. »Ein Ganzjahres-Internat mit einem erstklassigen Ausbildungsniveau. Ein Stipendium, das alle Kosten abdeckt. Es sind nur fünfzig Schüler, du kannst also sicher sein, dass man sich ausgiebig um dich kümmern wird.«
    »Aber wieso wollen die ausgerechnet mich ?«
    Seine in fast wehleidigem Ton vorgetragene Frage stand eine Weile unbeantwortet im Raum. Es war der Mann, der schließlich das Wort ergriff.
    »Erinnerst du dich an mich, Julian?«, fragte er. »Wir sind uns schon einmal begegnet.«
    »Ja, Sir.« Der Junge hatte das Gefühl, unter dem durchdringenden Blick des Mannes zu schrumpfen. »Sie haben mich im Krankenhaus besucht.«
    »Ich gehöre dem Kuratorium von Evensong an. Es ist eine Schule, von deren Konzept ich voll und ganz überzeugt bin. Eine Schule für ganz besondere Schüler. Für junge Menschen, die auf die eine oder andere Weise bewiesen haben, dass sie außergewöhnlich sind.«
    »Ich?« Der Junge lachte ungläubig. »Ich bin ein Dieb. Das hat man Ihnen doch gesagt, oder nicht?«
    »Doch, das weiß ich.«
    »Ich bin in Häuser eingebrochen. Ich habe Sachen gestohlen.«
    »Ich weiß.«
    »Ich habe einen Deputy getötet. Ich habe ihn erschossen.«
    »Um dein Leben zu retten. Das ist ein Talent, weißt du. Einfach nur zu wissen, wie man überlebt.«
    Julians Blick ging zum Fenster. Unten lag der Schulhof, wo die Schüler in der Kälte in kleinen Grüppchen zusammenstanden, lachten und schwatzten. Ich werde nie zu ihrer Welt gehören, dachte er. Ich werde nie einer von ihnen sein. Gibt es irgendwo auf der Welt einen Ort, wo ich hingehöre?
    »Neunundneunzig Prozent der Jugendlichen in deinem Alter hätten das, was du durchgemacht hast, nicht überlebt«, sagte der Mann. »Dir haben wir es zu verdanken, dass meine Freundin Maura noch lebt.«
    Julian sah den Mann an, und plötzlich begriff er. »Es ist wegen ihr, nicht wahr? Maura hat Sie gebeten, mich aufzunehmen.«
    »Ja. Aber ich tue es auch für Evensong. Weil ich glaube, dass du ein Gewinn für uns sein kannst. Ein Gewinn für …« Er brach ab. Und in diesem Schweigen lag die wahre Antwort. Eine Antwort, die der Mann in diesem Moment noch für sich behalten wollte. Stattdessen lächelte er. »Ich muss mich entschuldigen. Ich habe mich noch gar nicht richtig vorgestellt, nicht wahr? Mein Name ist Anthony Sansone.« Er streckte die Hand aus. »Dürfen wir dich in Evensong willkommen heißen, Julian?«
    Der Junge sah Sansone an, versuchte, in seinen Augen zu lesen. Versuchte zu verstehen, was der Mann nicht ausgesprochen hatte. Direktor Gorchinski und Beverly Cupido lächelten ahnungslos, sie merkten nichts von der eigenartigen Spannung im Raum, nahmen dieses kaum hörbare elektrische Summen nicht wahr. Ihm aber verriet es, dass hinter der Evensong School mehr steckte, als Lily Saul und Anthony Sansone ihm sagten. Und dass sein Leben sich bald grundlegend ändern würde.
    »Nun, Julian?«, sagte Sansone. Er hatte die Hand immer noch ausgestreckt.
    »Mein Name ist Rat«, sagte der Junge. Und er ergriff die Hand des
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