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Totengleich

Totengleich

Titel: Totengleich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tana French
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Wahrscheinlich werden wir nie erfahren, wie es genau war.«
    Frank zog an seiner Zigarette, beobachtete die kleine, rote Glut. »Soweit ich das beurteilen kann«, sagte er, »kommt nur eine Person in Frage, die beim Spülen war und die nichts anderes mit den Händen gemacht hat zwischen dem Augenblick, als der Zettel aus der Jacke zum Vorschein kam, und dem Augenblick, in dem Lexie niedergestochen wurde.«
    »Daniel hat sie getötet«, sagte ich, und in dem Moment kam es mir nicht wie eine Lüge vor, und jetzt auch nicht. »Ich bin sicher, Frank. Er hat die Wahrheit gesagt.«
    Frank studierte mein Gesicht einen langen Augenblick. Dann: »Okay«, sagte er mit einem Seufzer. »Ich verlass mich auf dein Wort. Ich kann mir zwar nach wie vor nicht vorstellen, dass er der Typ gewesen sein soll, der so ausrastet, ohne Plan, ohne Methode, aber hey, vielleicht hatten wir weniger gemeinsam, als du denkst. Ich hab von Anfang an auf jemand anderen getippt, aber wenn alle wollen, dass Daniel es war … « Ein kleiner Ruck mit dem Kopf nach hinten, wie ein Achselzucken. »Dann kann ich nicht viel dagegen machen.«
    Er drückte seine Zigarette aus und stand auf. »Hier«, sagte er und fischte etwas aus einer Jackentasche. »Dann kann ich dir das ja ruhig geben.«
    Er warf es mir über den Tisch zu. Es blitzte im Sonnenlicht auf, und ich fing es reflexartig, mit einer Hand. Es war eine Minikassette, so eine, wie sie die Undercoverabteilung zum Abhören verwendet.
    »Da bist du drauf, wie du deine Karriere im Klo runterspülst. Ich muss auf ein Kabel getreten sein, als ich an dem Tag mit dir telefoniert hab, und da ist irgendeine Verbindung unterbrochen worden. Auf dem offiziellen Band ist gut fünfzehn Minuten lang nichts drauf, ehe ich gemerkt hab, dass was nicht stimmt, und alles wieder eingestöpselt hab. Die Techniker wollen mich teeren und federn, weil ich ihre geliebten Apparate malträtiert hab, aber da werden sie sich hinten anstellen müssen.«
    Nicht sein Stil , hatte ich in der Nacht zuvor zu Sam gesagt, nicht Franks Stil, mich den Kopf hinhalten zu lassen. Und davor, ganz am Anfang: Lexie Madison war Franks Verantwortung, als er sie aus dem Nichts erschuf, sie blieb seine Verantwortung, als sie tot gefunden wurde. Er hatte wegen dieses grauenhaften Schlamassels nicht etwa Schuldgefühle, weit gefehlt – sobald er das DIA vom Hals hatte, würde er wahrscheinlich keinen Gedanken mehr daran verschwenden. Aber manche Menschen kümmern sich um ihre Leute, ganz gleich, was das am Ende auch bedeuten mag.
    »Keine Kopien«, sagte Frank. »Dir passiert nichts.«
    »Als ich vorhin gesagt hab, du bist genau wie Daniel«, sagte ich, »war das nicht als Beleidigung gemeint.«
    Ich sah irgendetwas Vielschichtiges in seinen Augen schimmern, als er darüber nachdachte. Schließlich nickte er. »In Ordnung«, sagte er.
    »Danke, Frank«, sagte ich und schloss die Hand um die Kassette. »Danke.«
    »Holla«, sagte Frank plötzlich. Seine Hand schoss nach vorn über den Tisch und packte mein Handgelenk. »Und was haben wir denn da?«
    Der Ring. Ich hatte ihn vergessen; mein Kopf musste sich erst noch dran gewöhnen. Fast hätte ich losgekichert, als ich seinen Gesichtsausdruck bemerkte. Ich hatte Frank Mackey noch nie so völlig baff gesehen. »Ich finde, er steht mir«, sagte ich. »Gefällt er dir?«
    »Ist der neu? Oder hab ich da die ganze Zeit was nicht mitgekriegt?«
    »Ziemlich neu«, sagte ich, »ja.«
    Dieses träge, hämische Grinsen, mit einem Mal wirkte er hellwach und sprudelnd vor Energie, zu allem bereit. »Na, ich glaub, mich tritt ein Pferd«, sagte er. »Ich weiß nicht, wer von euch beiden mich da eben mehr überrascht hat. Ich muss schon sagen, Hand aufs Herz, ich zieh meinen Hut vor deinem Sammy. Bestell ihm, dass ich ihm viel Glück wünsche, ja?« Er fing an zu lachen. »Heiliger Strohsack«, sagte er, »der Tag ist für mich gerettet. Cassie Maddox heiratet! Du meine Güte! Dem Mann wünsch ich alles Glück der Welt!«, und noch als er die Treppe hinunterlief, lachte er aus vollem Halse.

    Ich blieb lange Zeit auf dem Futon sitzen, drehte die Kassette in den Händen und versuchte, mich zu erinnern, was noch alles darauf war – was ich gemacht hatte, an dem Tag, außer alles auf eine Karte zu setzen und Frank förmlich herauszufordern, mich zu feuern. Brummschädel, Kaffee und Bloody Marys, und wir alle, die wir uns gegenseitig angiften. Daniels Stimme, die in Lexies dunklem Zimmer fragt: Wer bist du? Fauré.
    Ich

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