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Tote Pracht

Tote Pracht

Titel: Tote Pracht
Autoren: Marcia Muller
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Stunde im Justizpalast zu treffen und sagte, daß
ich auch McFate dabeihaben wollte. Greg stellte nicht viele Fragen; er war
solche eigenartigen Bitten von mir gewohnt. Außerdem bereitete ihm der Gedanke,
McFate am Wochenende und zu dieser Stunde aus irgendeinem Bett zu zerren,
zweifellos Vergnügen.
    Als ich an dem fast verlassenen
Straßenrand vor dem Justizpalast den Wagen abstellte, hatte mein Zorn seinen
Siedepunkt erreicht, ich war zu einer Konfrontation bereit. Von den
Marmorwänden der Eingangshalle hallten meine Schritte wider, und ich schaute
auf die Uhr. Es war vier Uhr zwanzig, Samstag morgen — eine Woche, nachdem ich
in den Fall verwickelt worden war, der mir meine letzten Illusionen über die
glorreichen sechziger Jahre geraubt hatte.
    Nichts gegen das Erbe jener Jahre: ein
Krieg war abgebrochen worden; der Wille des Volkes hatte gesiegt; in der
Gesellschaft waren fundamentale Veränderungen vor sich gegangen. Aber dieses
Erbe hatte auch eine dunkle Seite, und die persönlichen Kosten waren auf beiden
Seiten sehr hoch gewesen.
    Ich hatte recht gehabt, als ich am
Montag abend zu Rae gesagt hatte, daß es in den Sechzigern um Wut gegangen sei —
doch das war nur ein Teilaspekt. Es war auch um Gewinnen und Verlieren
gegangen, wie in jedem Jahrzehnt. Darum, den Krieg gegen den Kommunismus in
Südostasien zu gewinnen; den Krieg gegen das Establishment zu Hause zu
gewinnen. Das Land zu verlieren, weil es über den Konflikt in Asien völlig
entzweit war; sich selbst zu verlieren, weil der Kampf in den Straßen die
Kampfgefährten bitter, gebrochen und einsam gemacht hatte.
    Auch das war das Erbe der sechziger
Jahre: Trophäen und tote Pracht. Netze, den Wind einzufangen...
     
    McFate war der erste, den ich sah, als
ich den Mannschaftsraum betrat: Er stand vor Gregs Büro und war selbst zu
dieser ungewöhnlichen Stunde gekämmt und frisch rasiert und trug einen
säuberlich gebügelten Anzug. Er schaute mich an — meine schlammverschmierte
Kleidung, mein schmutziges Gesicht und meine zerzausten Haare — und grinste
verächtlich. Das brachte das Faß zum Überlaufen.
    Ich ging auf ihn zu, legte meine
dreckigen Hände an seine Nadelstreifenbrust und versetzte ihm einen Stoß. »Sie
Hurensohn!«
    Greg kam mit hochgezogenen Augenbrauen
aus einer Kabine.
    »Sie verdammter, aufgeblasener Idiot!«
Ich versetzte McFate noch einen Stoß und achtete darauf, auf seinem hellblauen
Hemd einen schmutzigen Abdruck zu hinterlassen.
    McFate setzte zur Gegenwehr an und
sagte zu Greg: »Sie sind Zeuge!
    Sie hat einen Polizeibeamten
angegriffen! Was gedenken Sie zu unternehmen?«
    »Halten Sie den Mund, Leo«, sagte Greg
müde. »Kommen Sie in mein Büro. Du auch.«
    McFate machte eine Kehrtwendung und
ging hinein, dabei rubbelte er ärgerlich an seinem Hemd. »Ich verstehe nicht,
warum sie sich so etwas herausnehmen darf. Wenn Sie mich fragen...«
    »Ich frage Sie aber nicht. Setzen Sie
sich, Leo. Sharon, schließ die Tür.«
    Ich schloß sie. Dann schob ich den
zweiten Besucherstuhl so weit weg von McFate wie möglich und setzte mich.
    »Sie könnten zumindest verlangen, daß
sie sich entschuldigt«, sagte er.
    »So was kann sie leider nicht besonders
gut.« Greg wandte sich zu mir; ich wußte, daß ich seine Geduld einer harten
Probe unterzog.
    »Würdest du jetzt bitte erklären, warum
das nötig war?«
    Ich holte tief Luft und sammelte die
Überreste meiner Selbstbeherrschung zusammen. »Der Mann, der Tom Grant tötete,
hat sich heute nacht erschossen — auf Hog Island in der Tomales-Bucht.«
    Langsam drehte McFate mir sein Gesicht
zu; seine Pupillen verengten sich zu Stecknadelköpfen. Greg wartete ab.
    Ich erzählte, was geschehen war, und
tat so, als ob ich wegen Hilderlys Testament unterwegs gewesen und dabei Zeuge
dieser Familientragödie geworden wäre. Als ich mit meinem Bericht geendet
hatte, fügte ich, an Greg gewandt, hinzu: »Deshalb habe ich eine solche
Stinkwut auf ihn.« Ich deutete mit dem Kinn auf McFate. »Wenn er mir von Grants
früherer Tätigkeit als FBI-Spitzel erzählt hätte, hätte ich gewußt, wer ein
Motiv hatte, ihn zu töten, und Taylor wäre jetzt vielleicht noch am Leben.«
    McFate sagte: »Um den war’s doch wohl
kaum schade.«
    Ich fuhr zu ihm herum. »Halten Sie den
Mund! Sie wissen doch überhaupt nichts... rein gar nichts.«
    Greg seufzte und rollte die Augen.
    »In Ordnung«, sagte ich. »Es tut mir
leid. Aber er ist einfach solch ein Arsch...«
    »Wenn man mir gütigerweise
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