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Tote Pracht

Tote Pracht

Titel: Tote Pracht
Autoren: Marcia Muller
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ein
schwaches Motorengeräusch — die altersschwache Maschine an dem Boot, das ich
vor einer Weile gesteuert hatte. Davey war in Sicherheit; Ross brachte die
Kinder nach Hause.
    Die Laterne flackerte; das Petroleum
ging zu Ende. Ich stand auf. »D. A., kommen Sie mit mir an Land zurück. Wir
werden schon eine Lösung finden.«
    Er schüttelte den Kopf.
    Ich ging zur Laterne und drehte sie
runter. »Kommen Sie«, sagte ich. »Es wird schon gut werden.« Ich streckte ihm
die Hand hin.
    Er schien mich weder zu hören noch zu
sehen. Sein Blick glitt über die Lichtung, blieb da und dort hängen, an Bäumen,
Felsen und Pflanzen. Dann trafen sich unsere Blicke — das flüchtige Licht, das
ab und zu noch in seinen Augen aufgeleuchtet hatte, war nun völlig erloschen.
Nicht einmal die Strahlen der Laterne belebten seinen Blick.
    »Was ist nur aus all den Helden
geworden?« fragte er.
    Darauf wußte ich keine Antwort, denn
ich vermutete, daß es nie Helden gegeben hatte — nicht in der Welt, nach der er
sich sehnte. Seine Welt war nicht aus Tatsachen, sondern aus Wünschen und
Träumen geboren. Keiner von uns wußte, wo die Wahrheit aufhörte und die Lügen
einsetzten.
    Ich drehte mich um und bückte mich, um
die Laterne aufzuheben. Hinter mir hörte ich, wie Taylor sich plötzlich
bewegte.
    Dann hörte ich das Klicken.
    Ich erstarrte, meine Haare sträubten
sich; es war zweifelsohne das Klicken, mit dem eine Automatikwaffe entsichert
wird. Sprungbereit schaute ich zurück. Und sah, daß die 22er, die er irgendwo
am Körper getragen hatte, nicht auf mich gerichtet war.
    Taylor hielt die Pistole in beiden
Händen, der Lauf steckte in seinem Mund.
    In dem Moment, in dem ich zu ihm
hinüberhechtete und ihn anbrüllte, es nicht zu tun, drückte er ab.
     
     
     

26
     
    Ich ließ D. A. auf der Felsplatte
seiner Insel, wo er endlich Frieden gefunden hatte, zurück. Mit einem flauen
Gefühl in der Magengrube machte ich mich mit der flackernden Laterne an den
Abstieg. Als ich den einfachen Teil des Weges, der am Strand entlang verlief,
erreichte, erlosch das Licht. Ich wartete dort, bis ich das unregelmäßige Gestotter
des rückkehrenden Motorbootes hörte.
    Ross steuerte es. Ich watete durch das
seichte Wasser und stieg ein.
    »D. A.?« fragte sie.
    »Tot. Er hat sich erschossen.«
    Sie preßte die Lippen aufeinander und
wendete das Boot. Ich unternahm auf der Rückfahrt keinen Versuch, ein Gespräch
mit ihr anzufangen. Als wir den Anlegeplatz hinter Taylors Haus erreichten,
sprang ich aus dem Boot, sobald es gegen das Pfahlwerk schlug.
    »Warten Sie«, sagte Ross.
    Ich drehte mich um und schaute sie kalt
an. »Bevor er sich umbrachte, sagte mir D. A., daß Sie ihm den Plan gezeichnet
haben. Sind Sie in die Stadt gefahren und haben Sie Grants Grundstück
vermessen, bevor Sie D. A. losschickten, damit er für Sie Rache übe?«
    In dem blassen Licht aus den Fenstern
des Restaurants sah ich ihr überraschtes Gesicht.
    »Sie wußten, was passieren würde«, fuhr
ich fort. »Das war Beihilfe — meiner Ansicht nach ist Ihre Schuld größer als
die von D. A.«
    »...was wollen Sie tun?«
    »Nichts. Sie würden ja doch nur alles
mit Lügen vertuschen. Außerdem werden genug Menschen unter den Folgen dieser
Tat zu leiden haben. Da muß ich es nicht noch schlimmer machen.«
    Sie hob die Hände und ließ sie kraftlos
wieder sinken. »Alle, an denen mir etwas lag, sind tot. Alles, was mir je etwas
bedeutet hat, ist vorbei.«
    »Und nun müssen Sie mit Ihrer Tat
leben.« Ich drehte ihr den Rücken zu und überquerte die baufällige
Anlegestelle. Ich wollte weg, weg von dieser Frau mit ihren egoistischen
Selbsttäuschungen und ihrem verpfuschten Leben.
     
    Aus der Telefonzelle vor Nick’s Cove verständigte
ich den Sheriff. Danach wählte ich noch zwei weitere Nummern.
    Als erstes rief ich Jess Goodhue an.
Ich erzählte ihr, was passiert war und erklärte, daß ich sie in meiner Aussage
vor der Polizei nicht erwähnen würde. »Dafür müssen Sie mir aber einen Gefallen
tun«, sagte ich.
    »Gerne. Was?«
    »Nach Taylors Tod wird sein Anteil an
Hilderlys Vermögen zwischen Ihnen und Libby Ross aufgeteilt. Das gilt auch für
Tom Grants Anteil. Ich möchte, daß Sie den Betrag, der über Ihre ursprüngliche
Erbschaft hinausgeht, Taylors Frau und seinen Kindern geben. Sie brauchen Geld,
um sich ein neues Leben aufzubauen.«
    Goodhue war, ohne zu zögern,
einverstanden.
    Dann rief ich Greg bei sich zu Hause
an. Ich bat ihn, mich in einer
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